Vattenfall gegen Deutschland vor Schiedsgericht

Schwedischer Energieversorger sieht sich durch Atomausstieg enteignet – Verhandlung wird im Internet übertragen

Am 10.10.2016 begann in den USA die mündliche Verhandlung Vattenfall versus deutsche Bundesregierung. TTIP- und CETA-Kritiker sehen den Fall als Beispiel, wie sich Konzerne mithilfe von Schiedsgerichten über Parlamente hinwegsetzen. Eine lesenswerte Darstellung von Michael Bauchmüller und Claus Hulverscheidt in der Süddeutschen Zeitung.

Wenn der Fall ARB/12/12 aufgerufen wird, beginnt ein Showdown, den es nach Ansicht vieler Freihandelsgegner gar nicht geben dürfte. Ein Konzern und ein Staat treffen sich zur mündlichen Verhandlung. Der Konzern: der schwedische Energieriese Vattenfall. Der Staat: die Bundesrepublik Deutschland. Die Deutschen hatten 2011 beschlossen, aus der Atomenergie auszusteigen – als Reaktion auf das Unglück im japanischen AKW Fukushima. Vattenfall sieht sich dadurch enteignet: Schließlich hatte das Unternehmen Milliarden hingeblättert, um Anteile an den deutschen Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel zu erwerben. 2012 rief der Konzern das Internationale Schiedsgericht in Washington an, das ICSID. Deutschland, so finden die Schweden, hat gegen die internationale Energiecharta verstoßen, die ausländische Investments im Energiebereich schützt. 4,7 Milliarden Euro verlangen sie vom Bund. (Siehe auch solarify.eu/vattenfall-stiehlt-sich-aus-den-atom-kulissen).

AKW Krümmel - Foto © Vattenfall

Die entschädigungslose Abschaltung sei auch innerhalb der Regierung höchst kontrovers diskutiert worden, schreiben die Autoren, das gehe internen Unterlagen hervor. Selbst mit den Strommengen, die beispielsweise das Vattenfall-AKW Krümmel nach dem rot-grünen Atomkonsens zugebilligt worden waren, hätte das Kraftwerk noch bis April 2020 laufen können. Doch statt der vorgesehenen 32 Jahre Laufzeit kam Krümmel nur auf 27. Die Bundesregierung gibt sich derweil gelassen. Man halte „die Schiedsklage für unzulässig und unbegründet“, heiße es im BMWi. Die Laufzeit sei seinerzeit „in völkerrechtlich zulässiger Weise“ befristet worden. Genau daran zweifeln namhafte Völkerrechtler. Aus juristischer Sicht, so argumentiert auch Vattenfall, sei der Entzug der Betriebsgenehmigung schlicht rechtswidrig gewesen.

Die Anhörung wird zeitversetzt im Internet übertragen. Die Entscheidung des ICSID, die beide Seiten von vorne herein als bindend und nicht anfechtbar anerkannt haben, ist Mitte 2017 zu erwarten.

->Quelle (ausführlicher Artikel): sueddeutsche.de/atomausstieg-konzern-gegen-staat