Experten fordern Finanztransaktionssteuer

Weckruf aus der Finanzbranche: 52 Finanzmanager raten zur Einführung der “Steuer gegen Armut“

Oxfam logoVor dem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel haben 53 führende Finanzexperten auf die Einführung der Finanztransaktionssteuer (FTS)  gedrängt. In einem offenen Brief argumentierten sie laut einer Mitteilung von Oxfam, dass die Steuer die Finanzmärkte stabilisieren und die Einnahmen der Regierungen erhöhen würde.

Am  10. Juli 2017 trafen sich die Finanzminister der zehn am Verhandlungsprozess beteiligten Länder in Brüssel; es wurde allgemein erwartet, dass sie über die FTS beraten würden. Aus diesem Anlass wandten sich 52 führende Experten der globalen Finanzindustrie in einem offenen Brief an die europäischen Staats- und Regierungschefs, und forderten sie auf, sich für die sofortige Einführung der FTS einzusetzen. Der offene Brief war eine Aktion von Oxfam und der Kampagne „Steuer gegen Armut“.

Steuer gegen Armut: Die Finanztransaktionssteuer (FTS)

Auf ihrer Website stellt sich die Kampagne als Zusammenschluss von 100 Mitgliedsorganisationen vor, der seit Oktober 2009 mit seinem Offenen Brief an die Bundes­­regierung die Einführung einer Finanztrans­­­aktionssteuer fordert. Aus den Einnahmen sollen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und zum Umweltschutz finanziert werden. Die laut Kampagnentext „charmanteste Erklärung des Anliegens“ ist die von Heike Makatsch und Jan Josef Liefers:

Kurzfristige Spekulation eindämmen und Finanzmärkte stabilisieren

Die Steuerabgabe auf den An- und Verkauf von Aktien und Derivaten würde laut den Experten die Finanzmärkte stabilisieren und die schädliche kurzfristige Finanzspekulation eindämmen. In dem Brief wenden sie sich auch gegen das Vorurteil, dass die FTS das wirtschaftliche Wachstum bremsen könnte. Laut Meinung der Finanzprofis gibt es immer mehr Hinweise, dass die Steuer ganz im Gegenteil sogar das Wirtschaftswachstum ankurbeln würde.

Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs gehörten internationale Finanzexperten wie Lord Adair Turner, ehemaliger Vorsitzender der britischen Finanzmarktaufsichtsbehörde, Dr. William Barclay, früher Chicagoer Börse oder Dirk Müller, Finanzexperte und ehemaliger Börsenmakler aus Frankfurt. Avinash Persaud, Vorstandsvorsitzender bei der Beratungsfirma Intelligence Capital Limited und früherer Leiter des Bereichs Curreny and Commodity Research bei JP Morgan (UK), erklärt: „Die Argumente der Finanzindustrie gegen die FTS gehen nicht auf. Die FTS wird eben nicht Investitionen bremsen oder das Wirtschaftswachstum verlangsamen – sondern die gefährlichen Spekulationspraktiken eindämmen, die die Finanzkrise von 2008 ausgelöst haben.“

Die Bundesregierung muss ihr Versprechen halten

Die Einführung der FTS gehört bereits seit 2010 zu Angela Merkels Versprechen, auch die Finanzwirtschaft an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen. Die Steuer ist Bestandteil des aktuellen Koalitionsvertrags, der nur noch bis zur Bundestagswahl im September umgesetzt werden kann. Jörn Kalinski, für Oxfam Deutschland im Steuerungskreis der Kampagne „Steuer gegen Armut“: „Die Botschaft von Europas Top-Finanzexperten ist deutlich: Die Finanztransaktionssteuer ist ökonomisch sinnvoll. Die Bundesregierung und der deutsche Finanzminister müssen sich nun stärker dafür einsetzen, dass diese kleine Steuer mit großer Wirkung endlich beschlossen wird. Tun sie das nicht, haben Merkel und Schäuble ihr Versprechen an die Bürger gebrochen. Die zehn Finanzminister müssen jetzt einen genauen Zeitplan aufsetzen, damit es noch vor der Bundestagswahl zu einer Einigung kommen kann.“

22 Milliarden Euro pro Jahr für den Kampf gegen Armut

Die Finanzexperten betonen in ihrem Brief, dass die europäische FTS signifikante Einnahmen erzielen würde. Diese Mittel könnten für Investitionen in Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung eingesetzt werden – in Europa und weltweit. Laut einer Schätzung der Europäischen Kommission würde die FTS in den 10 zehn europäischen Ländern bis zu 22 Milliarden Euro pro Jahr einbringen, davon könnten beispielsweise knapp vier Millionen Kinder zur Schule gehen.

 Am 11.07.2017 bestätigte Bundesfinanzminister Schäuble aber in Brüssel, dass Frankreich die Arbeit an der Steuer auf Eis legen will, um abzuwarten, wie sich die Brexit-Verhandlungen entwickeln. Bereits das vorherige Treffen zu diesem Thema wurde kurz nach der Wahl Macrons durch Frankreich abgesagt.

Finanztransaktionssteuer: Offener Brief der Finanzexprten

  • Bundeskanzler Christian Kern, ÖSTERREICH
  • Premierminister Charles Michel, BELGIEN
  • Präsident Emmanuel Macron, FRANKREICH
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel, DEUTSCHLAND
  • Premierminister Alexis Tsipras, GRIECHENALND
  • Premierminister Paolo Gentiloni, ITALIEN
  • Premierminister António Costa, PORTUGAL
  • Ministerpräsident Robert Fico, SLOVAKEI
  • Ministerpräsident Miro Cerar, SLOVENIA
  • Ministerpräsident Mariano Rajoy, SPAIN

 

  1. Juli 2017

Brief von Managern und Experten aus der Finanzindustrie an die Staats-und Regierungschefs der zehn Länder, die im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer verhandeln

Sehr geehrte Staats- und Regierungschefs,

als Personen, die aus erster Hand über Wissen und erhebliche Erfahrung in der Finanzindustrie verfügen, fordern wir Sie auf, eine Steuer auf Finanztransaktionen einzuführen.

Eine Finanztransaktionssteuer würde die kurzfristige Spekulation an den Finanzmärkten eindämmen und so die Finanzmärkte stabilisieren. Zudem hat die Steuer das Potenzial, signifikante Einnahmen zu generieren. In den letzten Jahrzehnten hat der Handel an den Finanzmärkten extrem zugenommen. Finanzgeschäfte haben mittlerweile ein Ausmaß angenommen, dass die Dimensionen der realen Wirtschaft um das 70fache übersteigt. Die primäre Rolle der Finanzmärkte ist es, Kapital für Investitionen bereit zu stellen, Ressourcen effizient zu verteilen und Risiken zu minimieren. Allerdings trägt ein Großteil der heutigen Finanzgeschäfte nicht mehr zu diesem Ziel bei. Es hat sich zum Beispiel gezeigt, dass der computergesteuerte, durch die Nutzung von Algorithmen kurzfristige Profite generierende Hochfrequenzhandel unter Druck stehenden Märkten die Liquidität entzieht, wenn diese am dringendsten benötigt wird. Eine Finanztransaktionssteuer in Höhe eines Bruchteil seines Prozents auf jedes Geschäft mit Finanzproduktenwürde die Anreize für schädliche, kurzfristige Spekulation verringern und andererseits langfristiges Investment kaum beeinflussen.

Es wurden Bedenken geäußert, dass die Finanztransaktionssteuernegative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben könnte. Es gibt jedoch zunehmend Belege dafür,dass das Gegenteil der Fall ist und sie einen positiven Effekt auf das Wirtschaftswachstum hat, denn sie reduziert Volatilität, trägt zu langfristiger Liquidität bei und generiert dringend benötigte Steuereinnahmen. Kritiker behaupten zudem irreführenderweise, dass man nach dem angekündigten Ausstieg Großbritanniens aus der EU die Verhandlungen über die Einführung der Finanztransaktionssteuer aussetzen müsse, umso ein attraktiver Standort für die aus London abwandernde Finanzindustrie zu sein. Als Finanzexperten können wir Ihnen versichern, dass diese Unternehmen diese Entscheidung auf Grundlage vieler Faktoren fällen und eine winzige Finanztransaktionssteuer hierfür nicht ausschlaggebend ist. Vor allem wenn man bedenkt, dass Großbritannien selbst bereits eine Steuer auf Aktien erhebt.

Finanztransaktionssteuern haben sich bereits bewährt. In vielen Ländern, darunter auch solchen mitschnell wachsenden Märkten wie Großbritannien, Südafrika, Hongkong, Singapur, der Schweiz und Indien gibt es bereits Steuern auf den Handel mit unterschiedlichen Finanzprodukten, die jedes Jahr Milliarden-Dollarbeträge einbringen. Eine zusätzliche Finanztransaktionssteuer, wie sie momentan von Ihren zehn Ländern im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit verhandelt wird, bietet eine hervorragende Möglichkeit, den Finanzsektor auf seine wesentliche Funktion zu konzentrieren. Gleichzeitig würde die Finanztransaktionssteuersubstanzielle Einnahmen erbringen, die für Investitionen in die Armutsbekämpfung in Europa und den ärmsten Ländern der Welt genutzt werden können.

Wir fordern Sie daher auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die Verhandlungen zur Einführung der Finanztransaktionssteueraus den oben genannten Gründen so bald wie möglich zu einem positiven Abschluss zu bringen. Wir glauben, dass die Finanztransaktionssteuer eine Chance bietet, die man nicht verstreichen lassen darf.

Hochachtungsvoll

  1. Dr. Wilfried Stadler, former CEO, Investkredit Bank (Austria)
  2. Benoît Lallemand, former Senior Internal Consultant and Service Excellence Manager, Euroclear Bank SA (Belgium)
  3. Luc Bomans, former Executive Vice President, JP Morgan, and former CEO, Euroclear Securities Clearing System (Belgium)
  4. Marc Bellis, former CEO of Corporate, Institutional and Public Banking Fortis (Belgium)
  5. Robert Thys, former Director of International Affairs, NYSE Euronext Paris (Belgium)
  6. Bernard Bayot, President, NewB; Director, Réseau Financité and Former President, Europe an Financial Inclusion Network (EFIN) (Belgium)
  7. Prof. Eric De Keuleneer, Professor of Finance, Université Libre de Bruxelles and CEO of Credibe (former Office Central de Crédit Hypothécaire) (Belgium)
  8. Lars Pehrson, Managing Director, Merkur Andelskasse (Merkur Cooperative Bank) (Denmark)
  9. Jean-Louis Bancel, President, Crédit Coopératif (France)
  10. Rainer Geiger, former Deputy Director, Financial and Enterprise Affairs, OECD (France)
  11. Stéphane Voisin, Financial Analyst (France)
  12. Gunther Capelle-Blancard, Member of French Financial Market Authority (AMF) Scientific Advisory Board, Professor at the University Paris 1 Pantheon–Sorbonne, Deputy Dean of the Sorbonne School of Economics (France)
  13. Bernd Kloth, Board Member, Pax-Bank eG (Germany)
  14. Dirk Müller,Financial Expert and Former Broker, Frankfurt (Germany)
  15. Dr. Klaus Schraudner, Chairman of the Board, Pax-Bank eG (Germany)
  16. Klaus Euler, Chairman of the Board, Ethik bank (Germany)
  17. Matthias Lehnert, Managing Director, Oikocredit (Germany)
  18. Prof. Dr. Max Otte, Investment Fund Manager, Economist (Germany)
  19. Richard Boeger, Managing Director, Bank für Kirche und Caritas eG (Germany)
  20. Thomas Jorberg, Executive Board Spokesman, GLS Gemeinschaftsbank eG (Germany)
  21. Prof. Dr. Rainer Lenz, Professor of Finance at the University of Applied Sciences, Bielefeld (Germany)
  22. Andrea Baranes, President, Ethical Finance Foundation (Italy)
  23. Luca Mattiazzi, General Manager, Etica Sgr (Italy)
  24. Ugo Biggeri, President, Banca Popolare Etica (Italy)
  25. Giulio Romani, Secretary General, FIRST CISL, (Italy)
  26. Agostino Megale, Secretary General, FISAC-CGIL (Italy)
  27. Massimo Masi, Secretary General, UILCA (Italy)
  28. Prof. Dr. Marc Chesney, Professor of Finance, University of Zurich (Switzerland)
  29. Lord Adair Turner, former Chairman of the UK Financial Services Authority (UK)
  30. Alastair Constance, Managing Director, Ethical Currency Limited (UK)
  31. Avinash Persaud, Chairman, Intelligence Capital Limited & Chairman, Elara Capital PLC, and former head of Currency and Commodity Research, JP Morgan (UK)
  32. Dr. Paul Wilmott, Proprietor, Wilmott magazine and the quantitative finance portal wilmott.com, and Former Partner, Caissa Capital (UK)
  33. Prof. Stephany Griffith-Jones, Financial Markets Program Director at the Initiative for Policy Dialogue, Columbia University, and former Head of the Department of Credit for the Public Sector at the Central Bank of Chile and Latin American analyst, Barclays Bank (UK)
  34. Raj Thamotheram, Founder and Co-Chair, Preventable Surprises, former President, Network for Sustainable Financial Markets, and former Director of Responsible Investment, AXA Investment Managers (UK)
  35. Rev. Iain May, BSc MBA BD, former Senior Manager RBS and Head of Planning Strategy, AIB Bank, current Chair, Castle Community Bank (UK)
  36. Sony Kapoor, ManagingDirector, Re-Define, Visiting Scholar, the IMF, and former derivatives trader (UK)
  37. Andrew Sheng, former Chairman, Securities and Futures Commission (Hong Kong)
  38. Rob Johnson, President, Institute for New Economic Thinking, Senior Fellow at the Roosevelt Institute, former Managing Director at Soros Fund Management and former Chief Economist of the US Senate Banking Committee (US)
  39. Amy Domini, Trustee, The Sustainability Group of Loring, Wolcott & Coolidge (US)
  40. Doug Cliggott, Lecturer, University of Massachusetts-Amherst, and former Managing Director and U.S. Equity Strategist, JP Morgan (US)
  41. Dr. Hazel Henderson, President, Ethical Markets Media, and former Advisory Council member, Calvert Social Investment Fund (US)
  42. Dr. William Barclay, former Senior Vice President, Planning and Development, Chicago Stock Exchange (US)
  43. John Harrington, President and CEO, Harrington Investments, Inc. (US)
  44. Leo Hindery, Jr., Managing Partner, InterMedia Partners, LP, a media industry private equity fund (US)
  45. Leslie Christian, Senior Investment Adviser, NorthStar Asset Management Inc. (US)
  46. Lief Doerring, Senior Principal Development Specialist, DAI Global (US)
  47. Prof. Lynn A. Stout, Distinguished Professor of Corporate and Business Law, Clarke Business Law Institute at the Cornell Law School, and member of the CFA (Chartered Financial Analyst) Institute Board of Governors (US)
  48. Richard Eskow, former President, HEI, a subsidiary of American International Group (AIG), and risk management consultant (US)
  49. Julie Goodridge, CEO, NorthStar Asset Management, Inc. (US)
  50. Robert Zevin, Chairman, Zevin Asset Management (US)
  51. Marshall Auerback, Global Portfolio Strategist, Madison Street Partners LLC (US)
  52. Adam Kanzer, Managing Director and General Counsel, Domini Social Investments, LLC (US)

 

Laut einer aktuellen Schätzung der Europäischen Kommission würde die FTS jährlich Einnahmen in Höhe von bis zu 22 Milliarden Euro generieren. Das sind 60 Millionen Euro am Tag, 2,5 Millionen in der Stunde und über 40.000 Euro in der Minute. Hier die möglichen Einnahmen in Echtzeit

Hintergrund:

In vielen Ländern wie Großbritannien, Südafrika, Hongkong, Singapur oder der Schweiz gibt es bereits Steuerabgaben auf Finanztransaktionen, die jedes Jahr Milliarden Dollarbeträge erbringen.

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