Starkes Signal für nachhaltiges Finanzwesen aus Brüssel

Expertengruppe der EU-Kommission schließt Kohle und Atomkraft aus grünen Finanzprodukten aus

Am 18.06.2019 hat die technische Expertengruppe der EU-Kommission Empfehlungen zu nachhaltigem Finanzwesen veröffentlicht. Letztes Frühjahr hatte die EU-Kommission im Rahmen ihres Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen dazu verschiedene Gesetzesvorschläge vorgelegt. Die Empfehlungen der Expertengruppe beziehen sich auf die Ausgestaltung der Klassifizierung für nachhaltige Anlagen (Taxonomie), eine Methodik für nachhaltige Vergleichsindizes, Maßgaben für klimabezogene Offenlegungspflichten und die Ausgestaltung eines EU-Standards für grüne Anleihen (Green Bonds).

Grünes Geld – Foto © Gerhard Hofmann

Die drei Berichte, die ein wesentlicher Bestandteil des EU-Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen sind, sollen die Grundlage für die Entwicklung neuer Regulierungsrahmen für den Finanzsektor bilden. Die Europäische Kommission hat außerdem eine neue Leitlinie zur Berichterstattung über „klimabezogene Unternehmensinformationen“ für große börsennotierte EU-Firmen veröffentlicht. Die Technische Expertengruppe (TEG) für nachhaltige Finanzanlagen war von der Europäischen Kommission im Juni 2018 eingerichtet worden und setzt sich aus 35 Mitgliedern sowie vier Beobachtern aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und dem Finanzsektor zusammen. Dazu kommen weitere Mitglieder und Beobachter aus den EU- und anderen internationalen öffentlichen Institutionen. Die Arbeit der TEG wurde offiziell bis Ende 2019 verlängert.

Für die Klassifizierung empfehlen die Expertinnen und Experten, Investitionen in Kohle und Atomkraft aus nachhaltigen Investitionen auszuschließen. Das gilt auch für Investitionen, die bestehende fossile Infrastruktur effizienter machen sollen. Nachhaltig nennen dürfen sich dagegen Investitionen, die einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leisten und andere Umweltziele wie den Schutz von Ökosystemen nicht untergraben. Das Europaparlament hat bereits seine Position für ein Rahmengesetz für die Klassifizierung festgelegt, während die Verhandlungen im Ministerrat noch laufen.

Emittenten grüner Anleihen, die dem EU-Standard folgen, sollen laut Empfehlung wählen können, ob sie die mit der Anleihe finanzierten Projekte einzeln veröffentlichen oder lediglich einen Gesamtüberblick über das Portfolio schaffen. Der bereits bestehende Industriestandard (Green Bond Principles) empfiehlt Emittenten die Veröffentlichung von Projekten, der indische Green Bond Standard schreibt die Veröffentlichung bereits vor.

Die Berichte sollen es der Europäischen Union ermöglichen, zusätzliche 175 bis 290 Milliarden Euro pro Jahr an privaten Investitionen anzuziehen, um damit den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu unterstützen. Mit diesen Geldern würden demnach Projekte finanziert, die durch öffentliche Investitionen nicht abgedeckt werden können. Die drei Berichte sind eng miteinander verknüpft und zielen darauf ab, Harmonisierung und Kohäsion auf einem nach wie vor stark fragmentierten europäischen Markt zu erreichen. Außerdem sollen Transparenz, Glaubwürdigkeit und Nutzbarkeit nachhaltiger Finanzinstrumente verbessert werden, wie Marktbeobachter betonen.

„Das Ziel ist es, die gesamte Wirtschaft abzudecken, nicht nur die dunkelgrüne Nische,“ erklärt Alyssa Heath, Senior Policy Analyst bei Principles for Responsible Investment (PRI), die an der Ausarbeitung der Berichte beteiligt war. „Wir haben jetzt ein Stadium erreicht, in dem wir die Anleger ermutigen können, sich anzusehen, was dieses Taxonomie-Modell für sie bedeutet,“ fügt sie hinzu.

Die Vereinheitlichung des Marktes für nachhaltige Finanzprodukte soll auch den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten – auf diesem weiterhin wachsenden Markt, auf dem das europäische Finanzkapital bereits konkurriert – minimieren. „Wir befinden uns in einem Wettlauf um Klimainvestitionen. Ein Wettlauf um die Hunderte von Milliarden Euro an privatem Kapital, die jährlich benötigt werden, um die Klima- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen,“ sagt auch Sean Kidney, CEO der Climate Bonds Initiative. „Die EU-Taxonomie wird klarstellen, was genau zu tun ist; und es somit Investoren und Banken erleichtern, nachhaltige Finanzmärkte in Europa aufzubauen.“

Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament, sieht im Ausschluss von Kohle und Atomkraft aus grünen Geldanlagen einen „Erfolg für nachhaltige und stabile Finanzmärkte. Die Kommission sollte dem Rat der Expertengruppe folgen und mutig Standards für nachhaltige Investitionen setzen, die den Namen verdienen. Nur mit verbindlichen Regeln wird die EU beim Thema nachhaltiges Finanzwesen zur Vorreiterin“, so Giegold. „Enttäuschend“ findet der Grünen-Sprecher der Europagruppe im EU-Parlament allerdings den Vorschlag eines EU-Standards für grüne Anleihen: Der bringe „keinen Mehrwert. Grüne Anleihen, bei denen die finanzierten Projekte intransparent bleiben, öffnen Tür und Tor für Greenwashing. Der Vorschlag der Experten geht kaum über den unverbindlichen Industriestandard hinaus und ist damit überflüssig. Die EU-Kommission muss nun bessere Vorschläge auf den Tisch legen. Nur mit Transparenz kann Europa das Vertrauen von umweltbewussten Investoren gewinnen und einen globalen Standard setzen. Nur für sehr kleine Projekte wie energetische Sanierungen von Wohnhäusern wäre eine gebündelte Veröffentlichung gerechtfertigt. Damit Finanzmärkte steigende Klima- und Umweltrisiken einpreisen und damit abrupte Wertverluste für Anleger vermeiden, braucht es transparente und verbindliche Regeln und Standards. Verbindliche Regeln für nachhaltige Geldanlagen lenken Investitionen in die ökologische Modernisierung unserer Wirtschaft. Damit kommt die EU auch beim Klimaschutz voran.”

Bis September können Marktteilnehmer nun zu dem Taxonomie-Report Stellung nehmen. Ab September wird die Expertengruppe weitere Empfehlungen zur Umsetzung zusammenstellen. Ab Dezember 2019 wird die Europäische Kommission die Umsetzung in künftigen Rechtsakte vorbereiten.

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