Zum Earth Day: 16 Orientierungspunkte von S4F

Klimaverträgliche Energieversorgung für Deutschland

Als fairen Beitrag Deutschlands zur Einhaltung der globalen 1,5-Grad-Grenze stellten die Scientists for Future am 16 Orientierungspunkte für eine klimaverträgliche Energieversorgung vor. Ihrer Überzeugung nach müssen dafür für die deutschen energiebedingten CO2-Emissionen in etwa 15 Jahren weitgehend auf Null sinken. Energieeinsparung hilft, den notwendigen Ausbau von regenerativen Erzeugungskapazitäten zu verringern. Der Verkehrssektor kann ebenso wie die Bereiche Prozess- und Gebäudewärme hierzu wesentlich beitragen. Die Nutzung von Kernenergie ist mit großen Risiken belastet. Biomasse in Form von Energiepflanzen zu nutzen, ist ineffizient und steht im Konflikt mit anderen Arten der Landnutzung.

16 S4F-Punkte zum Earth Day – Grafik © de.scientists4future.org, Martin Kräling, www.antigraphics.de, Berlin – CC BY-SA 4.0

Schneller Ausbau von Wind und Photovoltaik notwendig

Entscheidend ist daher vor allem der ausreichend schnelle Ausbau von Photovoltaik und Windkraft. Schätzungsweise kann der Elektrizitätsbedarf im Jahr 2030 z.B. durch den Ausbau auf 350 GW Photovoltaik und 150 GW Windkraft nahezu vollständig regenerativ gedeckt werden. Damit ließe sich eine zum großen Teil elektrifizierte Mobilität und Wärmeversorgung betreiben und ein Teil des benötigten „grünen“ Wasserstoffs in Deutschland bereitstellen. Diese Ausbauziele sind höher als bisher vorgesehen und verlangen eine gesellschaftliche Kraftanstrengung. Ein weiter verzögerter Ausbau müsste jedoch mit noch deutlich größeren gesellschaftlichen Anstrengungen für drastische Energieeinsparungen oder Importe erneuerbarer Energie ausgeglichen werden. Insgesamt könnte dies noch deutlich schwieriger zu realisieren sein, als ein ambitionierter Ausbau.

Wasserstoff & Syn-Fuels

Grüner, also aus erneuerbaren Energien hergestellter Wasserstoff und daraus abgeleitete Syntheseprodukte sind für die Dekarbonisierung von Industrieprozessen, den Flug- und Schiffsverkehr sowie für die Absicherung der Energieversorgung bei Dunkelflauten nötig. Ohne die Ausbauziele für Wind und Solar noch drastisch weiter zu erhöhen, stehen diese Produkte für Straßenverkehr und Wärmeversorgung jedoch nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung.

Technik ist verfügbar

Techniken zum Ausgleich zwischen Elektrizitätsangebot und -nachfrage sind verfügbar und sollten rechtzeitig auf- bzw. ausgebaut werden. Hierzu gehören: Stromaustausch mit den Nachbarländern, Flexibilisierung des Verbrauchs und Energiespeicherung. Für deren Integration sowie den Ausbau der Netze sollten zügig verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Kosten, Arbeitsplätze und Rahmenbedingungen

Die Kosten eines klimaverträglichen Energiesystems sind mittel- bis langfristig nicht höher als im derzeitigen System. Auf der anderen Seite entstehen Arbeitsplätze und Exportchancen durch Aufbau, Betrieb und Wartung einer regenerativen Energieversorgung in Deutschland und die energetische Gebäudesanierung. Die politischen Rahmenbedingungen entscheiden, ob eine klimaverträgliche Energieversorgung Deutschlands gelingt.

I. Einleitung

Eine klimaverträgliche, also mit der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimavertrages kompatible globale Energieversorgung schnell aufzubauen, bildet ein Kernelement wirksamer Klimapolitik. Deutschland steht dabei mit seinen bedeutenden intellektuellen und wirtschaftlichen Ressourcen besonders in der Verantwortung.

Die nachfolgende Zusammenstellung von 16 Orientierungspunkten basiert auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und auf praktischen Erfahrungen, ohne jedoch eine systematische wissenschaftliche Aufarbeitung der gesamten Literatur anzustreben. Vielmehr hat eine Gruppe von Wissenschaftler:innen verschiedener Disziplinen und Spezialisierungen aus dem Kreis der Scientists for Future ein gemeinsames Verständnis von Lösungen und Prioritäten erarbeitet. Diese Orientierungspunkte können Interessierten helfen, Handlungsoptionen und -empfehlungen für eine zukunftsorientierte deutsche Energiepolitik zu reflektieren und einzuordnen.

Nach Jahrzehnten unzureichender Maßnahmen gegen die Klimakrise bleibt nur wenig Zeit, um eine nachhaltige Energiepolitik umzusetzen. Damit sich etwas tiefgreifend ändert, braucht es gemeinsames und gleichzeitiges Wirken an unterschiedlichen Stellen. Die beschriebenen Maßnahmen basieren auf verfügbarer Technik und deren absehbarer Weiterentwicklung. Um sie im notwendigen Zeitrahmen zu verwirklichen, ist es jedoch erforderlich, den Umbau der Energieversorgung erheblich zu beschleunigen. Dieses Ziel lässt sich nur mithilfe gesellschaftlicher Diskussionen und politischer Entscheidungen erreichen. Die Verfasser:innen sind zuversichtlich, dass dies in einem demokratisch legitimierten Prozess möglich ist. Dazu muss der Zukunftssicherung allerdings mehr Priorität zukommen als bisher.

Insgesamt bedeutet dies eine enorme Anstrengung, eröffnet aber auch große Chancen im gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Bereich. Ein ambitioniertes staatliches Investitionsprogramm in die erneuerbare Energieversorgung könnte in der aktuellen Situation gleichzeitig die Folgen der COVID-Krise mildern, die Wirtschaft stärken, die Wettbewerbsfähigkeit fördern, zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen und das Klima schützen.

Orientierungspunkte

Zu jedem der beschriebenen Punkte findet sich im kompletten Dokument https://doi.org/10.5281/zenodo.4409334 eine ausführlichere Betrachtung mit Erläuterungen und Quellenhinweisen. Die Punkte bedingen sich teilweise wechselseitig, daher richtet sich die Reihenfolge nicht nach der Wichtigkeit.

1. Zügige Reduktion der CO2-Emissionen

Wir sollten die globale Energieversorgung schnellstmöglich umgestalten, um unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten und eine lebenswerte Zukunft sicherzustellen – sowohl für uns als auch für kommende Generationen. Deutschland trägt mit seinen technologischen, wirtschaftlichen und sozialen Fähigkeiten hierfür eine besondere Verantwortung. Der notwendige Umbau ist sowohl finanziell als auch technisch möglich. Eine engagierte deutsche Beteiligung sichert den Industriestandort Deutschland. Wieviel Zeit wir dafür haben, ergibt sich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen und den CO2-Budgets, die Deutschland und der Europäischen Union noch bleiben (das CO2-Budget ist die Gesamtmenge an CO2, die in der Summe der Jahre noch ausgestoßen werden darf).

2. Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien

Um die Klimaziele zu erreichen, ist es notwendig, die Versorgung von Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien in Deutschland deutlich schneller auszubauen. Bis wann wir davon wieviel mehr brauchen, ergibt sich aus dem CO2-Budget, dem Energiebedarf und daraus, wieviel Energie wir importieren wollen und können. Die Zeit spielt hierbei eine entscheidende Rolle: Die Ziele, die wir uns für die nächsten fünf bis zehn Jahre setzen, müssen sich daran orientieren, bereits bis ca. 2035 nahezu vollständig auf erneuerbare Energien umgestiegen zu sein. Das ist deutlich früher als Deutschland und die Europäische Union bisher planen.

3. Energieimporte

Die Strategie, große Mengen an erneuerbaren Energien in Form von Strom oder synthetischen Energieträgern (einschließlich Wasserstoff und sogenannte „E-Fuels“) zu importieren, birgt Chancen und Risiken. Diese müssen abgewogen werden. Für Importe sind z.?B. sehr hohe Investitionen für die Erzeugungs- und Transportinfrastruktur im Ausland nötig. Weiter besteht ein Sicherheitsrisiko, von Importen abhängig zu sein, und ein Kostenrisiko, dass die Importe sehr teuer werden, falls besonders viele Länder erneuerbare Energie importieren wollen. Darüber hinaus sind Importe in großen Mengen nur dann sinnvoll, wenn sichergestellt ist, dass die Energieversorgung auch in den Exportländern klima-, umwelt- und sozialverträglich ist. Die Chancen hoher Importmengen liegen vor allem in größerer Flächenverfügbarkeit, teilweise höherer solarer Einstrahlung bzw. höherem Windertragspotential sowie bisweilen höherer gesellschaftlicher Innovationsdynamik für den Ausbau einer klimaverträglichen Energieversorgung in anderen Ländern.

4. Biomasse und ökologische Zielkonflikte

Bei der Abwägung ökologischer Zielkonflikte muss im Auge behalten werden, dass keine Folgen entstehen, die nicht rückgängig gemacht werden können. Wir sollten nur in geringem Umfang Biomasse zur Energiebereitstellung nutzen. Denn land- und forstwirtschaftliche Flächen sind begrenzt und werden in Zukunft für viele Aufgaben benötigt. Hierzu gehören insbesondere der Anbau von Nahrungsmitteln und nachwachsender Rohstoffe, der Naturschutz, die Wiedervernässung von Moorböden (um CO2-Freisetzung zu stoppen), sowie die Energieproduktion mittels Wind- und Solaranlagen. Aus diesem Grund sollte der gezielte Anbau von Energiepflanzen in Deutschland auslaufen. Die Nutzung von Biomasse zur Energiebereitstellung sollte sich auf Reststoffe beschränken, die nicht anders verwertbar sind. Flächenkonflikte lassen sich teilweise durch Umstellung von Ernährungsgewohnheiten hin zu einer pflanzenbasierten Ernährung entschärfen. Aus anderen Ländern sollte Biomasse nur dann importiert werden, wenn sie aus kontrolliert nachhaltigem Anbau stammt. Auch die Zerstörung von Waldökosystemen kann zu stark klimarelevanten Kipp-Punkten des Erdsystems beitragen.

5. Reduktion des Energiebedarfs

Je mehr Energie wir einsparen, desto leichter ist es, den verbleibenden Energiebedarf rechtzeitig klimaneutral zu decken. Wenn man erneuerbare Energien etwa in Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen direkt nutzt – also in Form von Elektrizität – dann steigt zwar der Strombedarf an, aber der Energiebedarf insgesamt sinkt deutlich,weil wir dadurch den Bedarf an Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel reduzieren. Zur Energieeinsparung gehört auch, dass wir den Gebäudebestand so schnell wie möglich energetisch sanieren, um den Wärmebedarf zu senken. Außerdem können wir durch einen reduzierten Konsum einen Beitrag leisten, ebenso wie durch die Steigerung der Langlebigkeit, Reparaturfähigkeit und Wiederverwertbarkeit von Produkten. Insbesondere Verhaltensänderungen spielen hier eine wichtige Rolle. In der Vergangenheit wurden Effizienzgewinne häufig durch Mehrverbrauch an anderer oder gleicher Stelle wieder zunichtegemacht (Rebound-Effekt). Um dies in Zukunft zu vermeiden, brauchen wir geeignete Rahmenbedingungen und Anreizsysteme.

6. Transport- und Mobilitätssektor

Für einen klimaverträglichen Transport- und Mobilitätssektor sind gute Bedingungen für den Fuß- und Radverkehr, ein gut ausgebauter und preiswerter öffentlicher Nahverkehr sowie ein leistungsfähiges Bahnsystem (für Personen und Güter) zentral. Die dafür notwendige regionale, nationale und europäische Infrastruktur ist mit Vorrang auszubauen. Außerdem ist ein schneller Umbau des Verkehrs auf die besonders effiziente direkte Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien sinnvoll. Die wichtigsten aktuell umsetzbaren Anwendungen sind batterieelektrische Pkw und Lkw sowie die Nutzung von Oberleitungen für Bahn und Busse und künftig eventuell an Autobahnen.

7. Prozesswärme und prozessbedingte CO2-Emissionen

Unter Prozesswärme versteht man Wärme, die für technische oder chemische Verfahren benötigt wird. Die Einsparpotenziale hierfür sind in einigen Branchen bereits weitgehend ausgeschöpft, in anderen liegen sie noch brach. Damit die Industrie prozessbedingte Emissionen wie bei Zement- oder Stahlproduktion vermeiden kann, muss sie Produktionsverfahren umstellen und gegebenenfalls andere Ausgangsstoffe nutzen. Darüber hinaus sollten Materialien genutzt werden, bei denen im Lebenszyklus weniger Treibhausgase emittiert werden (z.?B. Holz statt Beton).

8. Wärmeversorgung

Zusätzlich zur Heizenergieeinsparung (z.?B. durch Gebäudesanierung, vgl. Punkt 5) ist in größeren Kommunen eine Wärmeleitplanung notwendig. Hierbei wird u.?a. festgelegt, in welchen Quartieren die Wärmeversorgung zentral (durch Wärmenetze) oder dezentral (z.?B. durch eine Heizung je Gebäude) erfolgen soll. Ebenso sind Niedertemperatur-Wärmenetze gezielt auszubauen. Mit Wärmenetzen können bisher ungenutzte Wärmequellen (z.?B. Industrieabwärme, Tiefengeothermie und Wärme aus großen Solarthermieanlagen) und große Wärmespeicher effizient genutzt werden. Für die dezentrale Wärmebereitstellung sind Wärmepumpen, gegebenenfalls um Solarthermie ergänzt, die bevorzugte Lösung.

9. Wasserstoff und Syntheseprodukte

Es werden große Mengen synthetischer Energieträger aus treibhausgasneutraler und umweltverträglicher Herstellung gebraucht, um eine klimaverträgliche Stahl-, Chemie- und Düngemittelindustrie zu ermöglichen. Hierzu zählen vor allem Wasserstoff sowie daraus erzeugte Folgeprodukte wie synthetische Kohlenwasserstoffe und Ammoniak. Außerdem werden diese Energieträger für Bereiche des Flug- und Schiffsverkehrs wie auch als Langfristspeicher für die sichere Stromversorgung benötigt. Die Herstellung von Wasserstoff oder Folgeprodukten benötigt jedoch deutlich mehr erneuerbare Energien als eine direkte Nutzung von Strom. Aus diesem Grund sollte man für die meisten Anwendungen im Straßenverkehr und in der Wärmeversorgung auf effizientere und kostengünstigere Alternativen zurückgreifen.

10. Kernenergie

Einem Ausbau der Kernenergie stehen hohe Kosten, erhebliche Sicherheitsbedenken, lange Bauzeiten und das noch immer ungelöste Endlagerproblem entgegen. Daher ist Kernenergie nicht in der Lage, in der verbleibenden Zeit einen sinnvollen Beitrag zum Umbau zu einer klimaverträglichen Energieversorgung zu leisten. Das gilt auch für die Kernfusion. Aufgrund der vorhandenen Alternativen ist Deutschland nicht auf die Kernenergie angewiesen, um eine klimaverträgliche Energieversorgung bis 2035 zu erreichen.

11. Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen

Aus den bisher genannten Gründen sind ambitionierte Ausbauziele für Solar- und Windkraftanlagen wichtig. Unserer Einschätzung nach sind bis 2030 zum einen nur geringe Importe erneuerbarer Energie möglich, zum anderen ist das Potential für Energieeinsparungen in dieser kurzen Zeit nur zum Teil realisierbar. Wenn die Bereiche Mobilität und Wärmeversorgung ambitioniert elektrifiziert werden (vgl. Punkt 6 und 8) und wir in die inländische Wasserstoffproduktion einsteigen (vgl. Punkt 9), könnte der Bedarf an elektrischer Energie im Jahr 2030 nach unseren Schätzungen ca. 875?TWh im Jahr betragen (2019 waren es ca. 525?TWh). Ein Großteil dieser Energiemenge kann in Deutschland z.?B. mit 350 GW Photovoltaik und 150 GW Windkraft bereitgestellt werden (installierte Nennleistungen). Liegt der Ausbau bis 2030 – z.?B. gemäß den derzeitigen Planungen der Bundesregierung – deutlich unter diesen Zahlen, kann eine entsprechende CO2-Emissionsreduktion nur bei sehr großer Energieeinsparung oder sehr hohen Importmengen erreicht werden. Die meisten Studien für ein Deutschland, das mit nahezu 100?% erneuerbaren Energien versorgt wird, kommen zu vergleichbaren Schlüssen. Jedoch wird hier meist vom Zieljahr 2050 und deutlich höheren Emissionen ausgegangen. Die entsprechenden Szenarien sind daher nicht kompatibel mit dem Pariser Klimavertrag. Insbesondere bei der Photovoltaik halten wir deutlich höhere Ausbauraten für möglich, insbesondere unter Einbeziehung von naturverträglichen Freiland-Anlagen und in Kombination mit Landwirtschaft („Agro-Photovoltaik“).

12. Bedarf an Speichern im Elektrizitätssystem

In einem klimaverträglichen Elektrizitätssystem kann ein Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage teilweise durch internationale Kooperation und flexible Verbraucher geschehen. Darüber hinaus sind Speichertechnologien notwendig. Diese stehen kurz vor der Marktreife oder werden zum Teil heute schon genutzt: Batterien und andere Technologien dienen als Kurzzeitspeicher. Zusätzlich kann man verstärkt Seen, zum Beispiel in Norwegen, als Energiespeicher nutzen. Für die langfristige Speicherung kann die regenerative Erzeugung von Wasserstoff oder gasförmigen Syntheseprodukte genutzt werden. Diese Gase lassen sich in vorhandenen unterirdischen Kavernen speichern. Hiermit betriebene Kraftwerke können die zur Sicherung der Energieversorgung in Dunkelflauten über mehrere Wochen nötige Reserveleistung bereitstellen.

13. Modernisierung von Elektrizitätsinfrastruktur und -Marktregeln

Der Ausbau der Netze, die Integration von Energiespeichern in den Strommarkt und flexible Verbraucher sind von besonderer Bedeutung. Die dafür relevanten Gesetze sollten reformiert werden und sich an einer vollständigen Versorgung aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2035 orientieren. Hierzu sollte eine Mischung aus zentralen und dezentralen Strukturen angestrebt werden. Es ist wichtig schnell die heute noch bestehenden Hemmnisse bei der Umgestaltung der Energieversorgung aufzulösen.

14. Kosten der Energiewende

Die Kosten einer mit dem Pariser Klimaabkommen kompatiblen Energieversorgung sind mittel- bis langfristig nicht höher als heute. Berücksichtigt man die aktuell nicht eingepreisten Umweltbelastungen (sogenannte „externalisierte“ Kosten), ist ein klimaverträgliches Energiesystem sogar schon heute deutlich günstiger. Geringere Betriebskosten gleichen die im Vergleich zur bisherigen Energieversorgung höheren Investitionskosten aus.

15. Arbeitsmarkt

Aufbau, Betrieb und Wartung einer regenerativen Energieversorgung ebenso wie eine beschleunigte energetische Gebäudesanierung schaffen sehr viele Arbeitsplätze in Deutschland. Wenn frühzeitig Planungssicherheit über eine schnelle Energiewende besteht, können neu entstehende Arbeitsplätze den Wegfall von Arbeitsplätzen in anderen Industriesparten vollständig und rechtzeitig ausgleichen. Durch die Entwicklung und Umsetzung neuer Technologien und Dienstleistungen entstehen für die deutsche Wirtschaft gleichzeitig zukunftsträchtige Exportmöglichkeiten auf den Weltmärkten. Fehlt diese Planungssicherheit hingegen, könnte sich ein Fachkräftemangel in den Sektoren Planung, Bau- und Energiewirtschaft als ein wesentliches Hindernis bei der Energiewende herausstellen.

16. Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Energiewende

Die rasche Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien setzt fundierte Information und transparente Kommunikation voraus. Es braucht einen breiten gesellschaftlichen Konsens und die Bereitschaft zu hohen Investitionen. Diese Voraussetzungen lassen sich einerseits mit Hilfe von Aufklärung, andererseits durch verstärkte wirtschaftliche Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen schaffen. Um alle gesellschaftlichen Gruppen zu beteiligen, sind geeignete Förder- und Finanzierungsinstrumente zu schaffen. Zudem sollte sich die Höhe der strom- bzw. energieträgerbezogenen Steuern und Abgaben an den verursachten Umwelt- und Gesundheitsschäden ausrichten. Dabei muss insbesondere der CO2-Preis so hoch sein, dass er eine lenkende Wirkung entfaltet. Die Energiewende ist ein entscheidender Baustein für den Klimaschutz und indirekt auch für den Erhalt der Artenvielfalt. Sie ist eine große gesellschaftliche Aufgabe und verlangt, alle gesellschaftlichen Akteur:innen einzubinden.

Schlusswort

Gewiss, nicht alles ist klar. Welche Technologien skalieren ausreichend schnell? Welche Ressourcen stehen in ausreichender Menge zur Verfügung? Wie vermeidet man soziale Spaltung durch Energie-Armut?

Klar ist jedoch: Die Zeit des vorsichtigen Herantastens und des Wartens auf die besten Lösungen ist vorbei. Geeignete Technologien sind überwiegend vorhanden oder zumindest in Erprobung. Die Knappheit der Zeit und des verbleibenden CO2-Budgets zwingt uns, den nach heutigem Wissen besten Weg jetzt sofort mit großen Schritten zu gehen. Mit einer Mischung aus Ordnungsrecht und einer wirkungsvollen Bepreisung sowohl von Emissionen als auch Naturzerstörung kann die Energiewende marktwirtschaftlich und kosteneffizient umgesetzt werden. Wenn wir dabei stets reflektieren, wissenschaftlich die sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen kontrollieren und gegebenenfalls zügig korrigieren, werden wir Erfolg haben.

Wir brauchen hierzu alle Köpfe und Herzen. Wir brauchen eine demokratische, partizipatorische und sozial ausgewogene Energiewende unter Einbindung aller gesellschaftlichen Akteur:innen. Dies ist ein entscheidender Baustein für den Klimaschutz, den Erhalt der Biodiversität und die Zukunftssicherung unserer Gesellschaft.

Dr. Christoph Gerhards, Scientists for Future
Prof. Dr. Urban Weber, TH Bingen
Dr. Peter Klafka, Scientists for Future
Stefan Golla, Scientists for Future
Dr. Gregor Hagedorn, Museum für Naturkunde,, Leibniz Institute for Evolution and Biodiversity Science, Berlin
Prof. Franz Baumann, Ph.D., New York University
Dr. Heiko Brendel, Universität Passau
Prof. Dr. Christian Breyer, LUT University
Dr. Jens Clausen, Borderstep Institut
Prof. Dr. Felix Creutzig, TU-Berlin
Prof. Dr. Claus-Heinrich Daub, FHNW
Dr. Sebastian Helgenberger, IASS
Karl-Martin Hentschel, Mehr Demokratie e. V.
Prof. Dr. Christian von Hirschhausen, TU Berlin
Apl. Prof. Dr. Ulrike Jordan, Universität Kassel
Prof. Dr. Claudia Kemfert, DIW Berlin
Prof. Dr. Harald Krause, TH Rosenheim
Prof. Sven Linow, Hochschule Darmstadt
Prof. Dr. Pao-Yu Oei, Europa-Universität Flensburg
Dr. Martin Pehnt, Ifeu
Prof. Dr. Andreas Pfennig, University of Liège
Fabian Präger, TU Berlin
Prof. Dr. Volker Quaschning, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Prof. Dr. Jens Schneider, HTWK Leipzig
Prof. Dr. Uli Spindler, TH Rosenheim
Dr. Volker Stelzer, Karlsruhe Institut für Technologie
Prof. Dr. Michael Sterner, OTH Regensburg
Prof. Dr. Georg Wagener-Lohse, netzwerk neue energie
Theresa Weinsziehr, Universität Leipzig

Rollen

Gerhards (christoph@gerhards-le.de), Weber, Klafka, Golla & Hagedorn haben den gesamten Text geschrieben und die Beiträge der übrigen Autor:innen koordiniert. Die folgenden in alphabetischer Reihenfolge aufgeführten Autor:innen haben themenspezifisch fachliche Beiträge geleistet sowie den gesamten Text im Hinblick auf Stimmigkeit und Korrektheit gegengelesen.

Danksagungen

Wir danken Miriam Assad, Christian Borm, Harald Bradke, Berit Erlach, Markus Feilner, Manfred Fischedick, Maximilian Hübner, Natalia Gier, Karlo B. Hainsch, Lara Hopf, Alexander Neumann, Jürgen Reincke, Klaus Russel-Wells, Christine Rüth, Carina Schipper, Volker Schöber, Jochen Theloke, Franz Thoren, Mario Tvrtkovi?, Theresa Weinsziehr und Henry Wilke für inhaltliche und sprachliche Verbesserungsvorschläge und Martin Kräling für die Gestaltung der Grafiken.

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