Beiträge der Kategorie: Cradle to Cradle

Erdüberlastungstag 2020 mehr als drei Wochen später

Aber kein Trost

Vom 1. Januar bis zum 22. August 2020 hat die Menschheit der Natur so viel abverlangt, wie die Erde im ganzen Jahr erneuern kann. Das zeigen Berechnungen des Global Footprint Networks und der York University. Die Corona-Lockdowns haben den ökologischen Fußabdruck der Menschheit um fast 10 Prozent schrumpfen lassen. Aber wir verbrauchen immer noch zu viele ökologische Ressourcen: wir leben so, als wäre unsere Erde 60 Prozent größer oder als ob wir 1,6 Erden zur Verfügung hätten.

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„Tag des guten Lebens“ : Alternativen zum Wegwerfkonsum

Bundesweit fordern Greenpeace-Aktivisten ein Ressourcenschutzgesetz

Greenpeace logoAlternativen zum Wegwerfkonsum zeigen Greenpeace-Ehrenamtliche am heutigen „Tag des guten Lebens“ (23.06.2018) in Hamburg, Berlin, Köln und weiteren 27 deutschen Städten.  Getreu dem Motto „Buy nothing – Make something“ laden sie Verbraucher zum Selbermachen, Reparieren, Tauschen und Verschönern von Gebrauchsgegenständen ein.

Vergangene Woche hatte das ZDF aufgedeckt, dass der Online-Handel massenhaft neuwertige Ware aus Retouren zerstört. Über 33.000 Verbraucherinnen und Verbraucher haben seitdem die Greenpeace-Petition für ein Ressourcenschutzgesetz an Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) unterstützt (www.greenpeace.de/stoppt-die-verschwendung). „Immer mehr Menschen wollen nicht hinnehmen, dass ihre Lebensgrundlagen für überflüssige Produkte zerstört werden“, sagt Greenpeace-Sprecherin Viola Wohlgemuth. „Die Bundesregierung muss jetzt handeln: Gesetze gegen die Vernichtung von neuwertiger und gebrauchsfähiger Ware können sinnvoll dazu beitragen, Umwelt und Klima zu schützen.“ Der konsumkritische „Tag des guten Lebens“ bündelte erstmals bundesweit zahlreiche Ansätze und Initiativen zu alternativen Lebensformen.

Mit der Textilkampagne „Detox“ skandalisiert die unabhängige Umweltschutzorganisation Greenpeace besonders die Umweltfolgen der internationalen Textilherstellung und -vermarktung. Alle paar Wochen wechseln so genannte Fast-Fashion-Marken ihre Kollektionen – unverkaufte Saisonware, Retouren und Ladenhüter landen oft gleich auf dem Müll, anstatt gespendet oder recycelt zu werden. Auch für in Deutschland ansässige Firmen ist es  kostengünstiger, Waren zu vernichten anstatt sie zu lagern oder zu spenden.

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Indikator für Ressourcenproduktivität

Mehr Ressourceneffizienz in EU

Grüne Bundestagsfraktion logoDie Bundesregierung will in der EU einen „übergreifenden Indikator zur Bemessung der Ressourcenproduktivität“ einführen. Zudem würden auch Ziele zur Ressourceneffizienz angestrebt, „die auch die industriepolitischen Ziele der EU unterstützen“, schrieb die Bundesregierung in einer Antwort (18/12856) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/12664).

Das aktuell auf EU-Ebene in einem sogenannten Trilog zwischen Ratspräsidentschaft, Berichterstattern des EU-Parlamentes und Vertretern der Europäischen Kommission verhandelte Legislativpaket zur Kreislaufwirtschaft bezeichnete die Bundesregierung in der Antwort als „Kompromiss zwischen ambitionierten Zielen und den Realitäten in den Mitgliedsstaaten“. Die Bundesregierung setze dabei nicht nur auf „EU-weit geltende, anspruchsvolle Ziele“, sondern habe auch ein besonderes Interesse daran, „die Staaten, die noch großen Nachholbedarf haben, in die Lage zu versetzen, die möglichen und für den Umwelt- und Ressourcenschutz notwendigen Erfolge zu erreichen“. Der Anspruch der Bundesregierung sei dabei, die EU-Ziele weiterhin zu übertreffen. (hib/SCR)

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Ökologische Modernisierung quer durch alle Branchen

 Die grüne Art des Wirtschaftens

Mit 450 Gästen war der Kongress „Grüner Wirtschaften“ der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen sehr gut besucht.  In diversen Werkstätten und Debatten wurde das Konzept Grüner Wirtschaften für mehr Lebensqualität diskutiert und auf einem Markt der Möglichkeiten anschaulich und greifbar fgemacht.  Die grüne Bundestagsfraktion will „den Weg in die neue Wirtschaftsweise für alle verlässlich gestalten“. Dafür brauche es mutige Politik und engagierte Bürger, Ingenieure und Unternehmerinnen, welche die ökologische Modernisierung quer durch alle Branchen ins Ziel bringen. „Wir müssen, das machten sowohl unser Fraktionsvorsitzender Dr. Anton Hofreiter, wie auch die Keynote von Professor Rahmstorf sehr deutlich, das Tempo erhöhen, die Klimakrise wartet nicht“.

Nachhaltiger Konsum und die Politik der Bundesregierung

Indikatoren zum nachhaltigen Konsum

Antwort der Bundesregierung  auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bärbel Höhn, Peter Meiwald,  Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion  BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN  – Drucksache 18/9182 –  

Umsetzung des Sustainable Development Goal 12 – Nachhaltige Konsum- und  Produktionsmuster sicherstellen

Grüne Bundestagsfraktion logoFür die Bewertung des „Nationalen Programmes für Nachhaltigen Konsum“ liegen noch keine „messbaren Indikatoren“ vor. Diese werden laut Antwort der Bundesregierung (18/9368) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/9182) im Rahmen der Überarbeitung der „Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie“ aktuell abgestimmt. Eine allgemeine Umsetzungsfrist für die Maßnahmen des Programmes sei unrealistisch, schreibt die Bundesregierung weiter. Zu berücksichtigen bei der Umsetzung seien jeweils die „geltenden Finanzplanansätze der Ressorts unter Vorbehalt der Verfügbarkeit der notwendigen Haushaltsmittel“.

Die Antwort der Bundesregierung im Wortlaut weiterlesen

Erde verbraucht

Erdüberlastungstag: 1,6 Erden wären nötig, um derzeitigen Jahresverbrauch zu decken

Earth Overshoot Day 2016Seit Montag, 08. August 2016, sind die gesamten nachhaltig nutzbaren Ressourcen der Erde für 2016 verbraucht. Damit hat die Überlastung erneut zugenommen. Im Vorjahr fiel der vom Global Footprint Network berechnete Erdüberlastungstag noch auf den 13. August. Mit einer Aktion in Berlin wollen INKOTA, Germanwatch, BUNDjugend, FairBindung, KATE, PowerShift, Naturschutzjugend (NAJU) und GRÜNE JUGEND – so eine gemeinsame Pressemitteilung – die Bundesregierung auffordern, effektive Maßnahmen zur Senkung des Ressourcenverbrauchs zu beschließen. weiterlesen

„Es geht nur um Qualität“

Interview mit Michael Braungart, einem der Erfinder des Wirtschaftskonzeptes „Cradle to Cradle“ und Professor an der Erasmus-Universität Rotterdamm

Interview: Marcus Noack – zuerst veröffentlicht auf: umwelthauptstadt.de – mit freundlicher Genehmigung

Frage: Wofür steht das Konzept Cradle to Cradle?
Braungart: Das Konzept „Cradle to Cradle“ steht für Innovation und Qualität. Es hat nichts mit traditioneller Nachhaltigkeit zu tun. Es geht darum Produkte herzustellen, die viel bessere Qualität haben, als es bisherige sind. Dabei werden alle Produkte noch einmal neu erfunden, entweder für die Biosphäre oder die Technosphäre. Dinge, die verschleißen wie Bremsbelege oder Schuhsolen werden für die Biosphäre neu entwickelt. Dinge, die nur genutzt werden wie Maschinen oder Fernseher werden für die Technosphäre entwickelt, es entsteht also kein Abfall sondern allles ist Nährstoff für die Bios- oder Technosphäre. Cradle to Cradle feiert den menschlichen Fußabdruck anstatt ihn zu minimieren.

Michael Braungart und Johanhnes Hoffmann (web) - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft - 20150320Michael Braungart mit dem Leiter der Forschungsgruppe Ethisch-Ökologisches Rating, Prof. Johannes Hoffmann – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Ist Cradle to Cradle ein weiteres Nachhaltigkeits-Modell?
Wir haben die 40 Jahre Weltuntergangsdiskussion seit dem Club of Rome-Bericht von 1972 genutzt, um bessere Produkte zu machen. Nachhaltigkeit ist nur das Minimum, also sozusagen etwas zu tun, das den anderen nicht schädigt oder Schaden auszugleichen, den man verursacht hat.
Wie sind Sie damals vor 25 Jahren auf den Cradle to Cradle Ansatz gekommen?
Das ist relativ einfach. Ich habe eine ganze Reihe von Kollegen, mit denen ich nach wie vor zusammen arbeite, wie etwa Katja Hansen oder Douglas Mulhall. Die Idee zu Cradle to Cradle entstand nach der Sandoz-Katastrophe. Damals hatte die schweizerische Chemie gefragt, wie es nun weitergehen solle. Wir haben gesagt, ein Problem kann mit der selben Denkweise gelöst werden, wie es verursacht wurde. Cradle to Cradle verbindet die europäische Komplexität mit der amerikanischen Handlungsorientierung. In Europa wird man für Probleme bezahlt, in Amerika fürs Handeln. Cradle to Cradle verbindet ganz viele Kulturen. Es braucht Lebensfreude, also Menschen, die sich freuen, auf der Welt zu sein. Heute geht es darum, die Menschen als Chance zu sehen und nicht als Schädlinge.
Sie halten unter anderem an der Leuphana Universität die Professur Cradle to Cradle und Öko-Effektivität. Was ist die Vision hinter Cradle to Cradle?
Im Augenblcik bin ich in Lüneburg beurlaubt bis 2017. Ich lehre an der Erasmus Universität in Rotterdamm, habe dort einen Lehrstuhl in der European Business School, welche zur Zeit die angesehenste öffentliche Business-School in Europa ist. Ich möchte zeigen, dass Cradle to Cradle vor allem ein Wirtschaftskonzept ist, wie man Produkte machen kann, die nicht mit Sklavenarbeit aus Fernost konkurrieren müssen.
Wie produziert man „einfach intelligent“?
Die jetzigen Produkte sind erstaunlich primitiv was Umwelt- und Gesundheitsschutzrechtlichkeit anbelangt. Wir finden in Kinderspielzeug hunderte von schädlichen Chemikalien. Ein einfacher Parkzettel oder eine Euromünze ist nie für Hautkrankheiten entwickelt worden. Bei Cradle to Cradle geht es darum, die Dinge für die Bios- oder Technosphäre positiv zu definieren. Wir versuchen, die bestehenden Dinge zu optimieren und nicht neu zu machen. Die Produkte sind nicht teurer, wenn man sie in Bezug auf Umwelt und Gesundheit optimiert.
Können Sie abschätzen, ob die Implementierung von Cradle to Cradle in Unternehmen Mehrkosten verursacht?
Das Gegenteil ist der Fall. Wir stellen fest, dass die Unternehmen extrem profitabel werden, weil ihre Material-Lieferstrecken viel einfacher werden und viel bessere Produkte entstehen. Der Nachteil ist dann allerdings, dass diese Unternehmen so profitabel werden, wie sie nie zuvor waren und dann an irgendwelche Investoren verkauft werden, die dann als erstes das Budget für Cradle to Cradle senken, weil sie denken, dass Cradle to Cradle ein Moralthema sei. Die Moral ist aber immer dann weg, wenn man sie eigentlich bräuchte. Die Investoren denken also, es sei eine Art Luxus, den man sich nicht leisten könne.
Wieviel Prozent der Unternehmen haben schon einmal von cradle to cradle gehört?
Es lassen sich alle Produkte nach Cradle to Cradle herstellen. Wieviele davon gehört haben kann ich nicht sagen.
Wie sehr darf man Ihre Aussage ernst nehmen, dass Verschwendung nicht schlecht ist?
Das Höchste in Deutschland ist ein Passivhaus. Uns geht es darum Gebäude wie Bäume zu haben, die die Luft und das Wasser reinigen und nicht nur ein bisschen weniger Energie verbrauchen. Sie sollen also einen ökologischen Fußabdruck erzeugen, der ein Feuchtgebiet wird und die anderen Lebewesen unterstützt, nicht weniger schädlich zu sein. Die Erde hat über zehntausend Mal mehr Energieeintrag als wir jemals brauchen würden, wir müssen also nicht sparen, verzichten und vermeiden.
Gibt es eine Cradle to Cradle Community?
Ja, die Community organisiert sich selbst. Die Leute sehen beispielsweise einen Vortrag oder lesen einen Beitrag und entscheiden sich dann, mitzumachen. Es gibt in Deutschland den Cradle to Cradle e. V. mit ganz vielen jungen Studenten, es gibt Cradle-People, Cradle-Net oder Cradle-Supporters, aber auch Kirchengemeinden oder die IG-Metall. Mc Kinsey hat beispielsweise hunderte von Trainings zu Cradle to Cradle.
Muss nicht auch der Endverbraucher wissen was Cradle to Cradle ist, um „gute“ von „schlechten“ Unternehmen unterscheiden zu können?
Nein, gar nicht. Ich muss doch auch nicht wissen, wie ein Airback funktioniert. Wir haben zum Beispiel Unterwäsche für einen großen Hersteller gemacht, diese Unterwäsche ist die erste, die wirklich für Hautkontakt gemacht ist. Sollte jetzt der Hersteller darauf schreiben, dieser BH ist für Hautkontakt gemacht? Wenn er das täte, würde er ja alle anderen Dinge dabei diskreditieren. Es ist einfach nur ein gutes Produkt und sonst nichts weiter. Es geht um ganzheitlich umfassende Qualität.
Wie wird Cradle to Cradle von den Unternehmen praktiziert? Kommt es nur für vereinzelte Produkte zum Einsatz oder wird das komplette Unternehmen darauf ausgerichtet?
Die meisten Unternehmen richten das komplette Unternehmen auf Cradle to Cradle aus. Natürlich probiert jedes Unternehmen es zunächst einmal aus, so wie man den großen Zeh ins Badewasser steckt. Aber wenn man einmal verstanden hat, dass weniger schlecht nicht gut ist, dann kann man gar nicht mehr anders.
Kann man sagen welche Unternehmen mehr Cradle to Cradle für sich nutzen, sind es eher Großunternehmen, Mittelständler oder kleine Unternehmen?
Das kann man so nicht sagen. Schauen Sie sich Unternehmen wie Goodbaby (Video), Maersk oder Puma an, die alle ehrgeizige Ziele mit Cradle to Cradle verfolgen. Es kann also genauso gut die Frima Unilever sein wie auch der kleine Müsli-Hersteller. Familien-Unternehmen sind im allgemeinen schneller, weil sie einfach längerfristig denken und weil sie nicht fragen, wie kann ich möglichst viel Geld damit verdienen sondern wie kann ich möglichst gute Produkte herstellen. Man braucht Leute, die aus dem bestehenden Denken heraustreten und nach Innovationen suchen.
Wie ist der normale Ablauf, kommen die Unternehmen auf Sie oder gehen Sie auf die Unternehmen zu?
Wenn die Unternehmen nicht auf uns zukommen, dann arbeiten wir in der Regel nicht mit ihnen zusammen, da wir sonst das komplette mittlere Managament gegen uns haben.
Wie geht es mit Cradle to Cradle weiter?
Wir gehen davon aus, dass Europa bis 2030 auf Cradle to Cradle umgestellt ist. Wenn Sie sehen, wie die Ellen MacArthur Foundation es schafft, praktisch alle führenden Unternehmen Europas an einen Tisch zu bekommen, dann stimmt mich das sehr optimistisch. Ein Beispiel: Michail Gorbatschow hat mir einmal gesagt, dass für Glasnost und Perestroika nur drei Prozent Mitglieder der Kommunistischen Partei nötig waren. Er hat es geschafft, dieses hochgerüstete Imperium friedlich auseinader fallen zu lassen, das war eine riesen Leistung, realisiert mit nur wenigen Leuten. Bei Cradle to Cradle ist es ähnlich, obwohl es allmählich Main-Stream wird.

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Michael Braungart zu Besuch in der Forschungsgruppe Ethisch-Ökologisches Rating.

Cradle-to-Cradle: „Wir müssen alles neu erfinden“

Am 20.03.2015 war Michael Braungart zu Besuch in der FGEÖR im Haus von „Brot für die Welt“ in Berlin. In lockerer Gesprächsrunde stellte er sein „Cradle-to-Cradle“-Prinzip vor, das Peter Unfried in der taz einmal treffend so beschrieben hat: „Braungart will eine Welt ohne Umweltverschmutzung und Abfall, in der man alle Verbrauchsgüter gefahrlos aufbrauchen kann, weil sie nützlich für die Umwelt sind. Und in der man alle Gebrauchsgüter endlos wiederverwerten kann.“

Michael Braungart und Johanhnes Hoffmann (web) - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft - 20150320Es gehe nicht darum, der Umwelt weniger zu schaden, sondern ihr zu nutzen – „weniger zerstören ist noch lange nicht gut“. Sonst entspreche das Bemühen um mehr Nachhaltigkeit etwa dem Satz: „Schütze Dein Kind – schlage es weniger!“ Wir könnten – und müssten – „Dinge entwickeln, die nicht weniger schädlich, sondern nützlich sind“. Wir müssten „alles neu erfinden“. Er will nicht weniger Energie verbrauchen und nicht so viel CO2 ausstoßen, er will anders und besser produzieren.

„Quasi perfekt falsch“

Aber was machen wir? Wir erfinden, so der promovierte Chemiker und Materialwissenschaftler, „nachgeschaltete Umwelttechnik“, also „hoch optimierte falsche Systeme, und machen damit die falschen Dinge noch falscher – quasi perfekt falsch“. Wir hätten uns in diese Perfektionierung des Falschen geradezu verbissen: Zum Beispiel recyceln wir Dinge, die nicht fürs Recycling taugen, wie etwa Toilettenpapier. Oder wir versuchten, Kohlekraftwerke weniger schädlich zu machen.

Sein Prinzip „Cradle to Cradle“, abgekürzt C2C, ist für ihn ein Gegenentwurf zum gegenwärtigen ökologischen (und vor allem ökonomischen) Denken und Handeln. Unfried: „Die Vision lautet: Verschwendet! Aber richtig. Zum Beispiel die Sonne. Erneuerbare Energie. Davon gibt es genug. Seid wie die Ameisen! Konsumiert. Aber macht keinen Müll.“

Braungart ist inzwischen rund um den Globus weit bekannter als in Deutschland: die niederländische Provinz Limburg hat sich beispielsweise inzwischen offiziell dem C2C-Prinzip verschrieben. Er konzipiert dauernd neue Produkte. Produkte, die „rematerialisierbar“ sind: Sie werden nicht weggeworfen, sondern sollen entweder schadstofffrei in die Natur zurückgehen oder endlos wiederverwertet werden können. Braungart will Veränderung eher über Design erreichen als über Bewusstsein. Er lässt Proben herumgehen: Zum Beispiel einen Teppichboden, bzw. Sitzbezug, der Feinstaub bindet, statt Hunderte von chmischen Stoffen auszudünsten.

Dienstleistungen vermieten statt Produkte verkaufen

Die Vision für die Automobilindustrie: „Das Auto wird so entwickelt, dass dem Kunden nur noch die Dienstleistung Autofahren verkauft wird – das heißt 60.000 Meilen, 100.000 Kilometer – da ist das Benzin enthalten, die Steuer, die Versicherung drin, die Wartung. Dann hat der Hersteller plötzlich ein Interesse an einem energiesparenden Auto, das sicher ist, und das möglichst wenig Kosten verursacht. Denn man wird bloß noch pro Kilometer bezahlen, wie man das Auto nutzt. Nach fünf Jahren geht dieses Auto in ein Tauchbad, Enzyme fressen die Klebstoffe auf, denn damit ist das Auto zusammengeklebt, und man kann die Materialen wie bei einem Lego-Auto wieder getrennt zurückbekommen, und sie wieder einsetzen.“

Braungart untersuchte schon vor Jahren ein Fernsehgerät und fand darin 4.360 giftige Chemikalien. „Ich will aber doch nur fernsehen – und nicht gleichzeitig Haftung für 4.360 Giftstoffe übernehmen“. Seine Lösung: Man mietet – wie beim Auto – Fernseher oder Computer lediglich für eine bestimmte Zahl von Betriebsstunden. Oder man mietet Fenster, genauer gesagt, „man zahlt für vierzig Jahre Durchgucken“. Die Verantwortung für den Produktkreislauf sollen die Hersteller cradle-to-cradle übernehmen, also ihre Geräte nach beendeter Nutzung zurücknehmen – nur wenn sie gesetzlich dazu verpflichtet seien, würden sie anders und besser produzieren.

„Verhalten ändern, weil es Spaß macht“

Braungart sagt: Wir sind gar nicht zu viele auf der Welt, wir müssen nur unser Verhalten ändern, aber nicht aus Zwang oder Angst vor der Umweltkatastrophe, „sondern weil es Spaß macht“ – wenn wir also nützlich sind. „Die Ameisen wiegen viel mehr als wir – aber sie schaden der Erde nicht.“  Er unterscheidet zwischen Effektivität und Effizienz: „Der Kirschbaum ist nicht effizient – er ist effektiv.“ Weniger CO2 ausstoßen, gar „klimaneutral“ werden zu wollen, sind für ihn falsche Denkansätze, weil sie Schuld und Sühne implizierten. „Wir Menschen haben das Gefühl bekommen, dass wir schädlich sind. Und die deutsche Umweltbewegung hat auf merkwürdige Weise mitgeholfen, dass es dazu gekommen ist.“

Die Umwelt sei nicht „Mutter Natur“ (das sei eine Romantisierung), die uns bestrafe, weil wir sie misshandelt hätten, bei dieser Denkart regiere  das „schlechte Gewissen“. Daher sind für Braungart Begriffe wie „Nullemission, Passivhaus, Abfallvermeidung“ Negativ-Denken, er macht sich fast lustig darüber. „Wenn wir uns schuldig fühlen, sind wir nicht kreativ.“

Unfried fasst Braungarts C2C in drei Fragen:

  1. „Kann ich es wegschmeißen und Kompost draus machen?
  2. Kann ich es verbrennen und die Asche in den Garten tun?
  3. Nehmen Sie das zurück?“

(Peter Unfried in der taz vom 07.03.2009)

Braungarts Vision

(von der Webseite – leicht gekürzt)

Energie sparen, enthaltsam sein, die Produktionsprozesse effizienter und weniger schädlich machen – für Prof. Dr. Michael Braungart klingen diese Prinzipien von Nachhaltigkeit, wie wir sie heute verstehen, nicht besonders attraktiv und auch nicht zielführend. Seine Vision ist eine andere: Er möchte Produkte und Produktionsprozesse so entwickeln, dass Verschwendung kein Problem mehr ist. Sie sollen komplett unschädlich sein für Mensch und Natur. Mehr noch: Der Mensch soll mit dem was er tut nützlich sein für andere Stoffkreisläufe. Seine Produkte sollen in Stoffkreisläufen funktionieren, so dass es keinen unnützen Abfall, sondern nur noch nützliche Rohstoffe gibt. Dass das funktionieren kann, zeigen mehrere hundert Produkte auf der Welt, die nach diesem Prinzip entwickelt worden sind. Es nennt sich das Cradle to Cradle®-Design-Konzept („Von der Wiege bis zur Wiege“), und Michael Braungart hat es zusammen mit dem US-amerikanischen Architekten William McDonough entwickelt.

Während also die herkömmlichen Strategien der „öko-effizienten“ Ansätze sich bemühen, die unbeabsichtigten negativen Konsequenzen von Produktions- und Konsumprozessen unter quantitativen Aspekten zu reduzieren und zu minimieren, stellt der öko-effektive Ansatz von Braungart einen Qualitätsansatz dar, der darauf beruht, die Möglichkeiten der Industrie so zu verbessern, dass natur- und umweltunterstützende Produkte und Prozesse möglich werden. Die funktionierenden Wechselwirkungen zwischen natürlichen Systemen legen nahe, dass die Etablierung von nachhaltigen Systemen der Produktion und des Konsums keine Frage der Reduzierung der Größe unseres „ökologischen Fußabdrucks“ ist, sondern die Herausforderung ist eher, wie dieser „Fußabdruck“ als nie versiegende, unterstützende Quelle für natürliche System errichtet werden kann.

In diesem Zusammenhang spielt das Cradle to Cradle®-Design-Konzept eine entscheidende Rolle. Es definiert ein System für die Herstellung von Produkten und industriellen Prozessen, das es ermöglicht, Materialien als „Nährstoffe“ in geschlossenen Kreisläufen zu halten. Materialien von Produkten, die für biologische Kreisläufe optimiert sind, dienen als biologische Nährstoffe, und können bedenkenlos in die Umwelt gelangen. Materialien von Produkten, die für geschlossene technische Kreisläufe konzipiert sind, dienen als technische Nährstoffe (z.B. Metalle und verschiedene Polymere). Diese Materialien sollen nicht in biologische Kreisläufe geraten.

Michael Braungart möchte Produkte und Produktionsprozesse so entwickeln, dass Verschwendung kein Problem mehr ist. Sie sollen komplett unschädlich sein für Mensch und Natur. Mehr noch: Der Mensch soll mit de,m was er tut, nützlich sein für andere Stoffkreisläufe. Seine Produkte sollen in Stoffkreisläufen funktionieren, so dass es keinen unnützen Abfall, sondern nur noch nützliche Rohstoffe gibt. Dass das funktionieren kann, zeigen mehrere hundert Produkte auf der Welt, die nach diesem Prinzip entwickelt worden sind. Es nennt sich das Cradle to Cradle®-Design-Konzept („Von der Wiege bis zur Wiege“), und Michael Braungart hat es zusammen mit dem US-amerikanischen Architekten William McDonough entwickelt.

Während also die herkömmlichen Strategien der „öko-effizienten“ Ansätze sich bemühen, die unbeabsichtigten negativen Konsequenzen von Produktions- und Konsumprozessen unter quantitativen Aspekten zu reduzieren und zu minimieren, stellt der öko-effektive Ansatz von Braungart einen Qualitätsansatz dar, der darauf beruht, die Möglichkeiten der Industrie so zu verbessern, dass natur- und umweltunterstützende Produkte und Prozesse möglich werden. Die funktionierenden Wechselwirkungen zwischen natürlichen Systemen legen nahe, dass die Etablierung von nachhaltigen Systemen der Produktion und des Konsums keine Frage der Reduzierung der Größe unseres „ökologischen Fußabdrucks“ ist, sondern die Herausforderung ist eher, wie dieser „Fußabdruck“ als nie versiegende, unterstützende Quelle für natürliche System errichtet werden kann.

In diesem Zusammenhang spielt das Cradle to Cradle®-Design-Konzept eine entscheidende Rolle. Es definiert ein System für die Herstellung von Produkten und industriellen Prozessen, das es ermöglicht, Materialien als „Nährstoffe“ in geschlossenen Kreisläufen zu halten. Materialien von Produkten, die für biologische Kreisläufe optimiert sind, dienen als biologische Nährstoffe, und können bedenkenlos in die Umwelt gelangen. Materialien von Produkten, die für geschlossene technische Kreisläufe konzipiert sind, dienen als technische Nährstoffe (z.B. Metalle und verschiedene Polymere). Diese Materialien sollen nicht in biologische Kreisläufe geraten.

Produkte können in drei Kategorien eingeteilt werden: Verbrauchsgüter, Gebrauchsgüter sowie Güter, die nicht mehr zu vermarkten sind. Verbrauchsgüter, wie z. B. Reinigungsmittel oder Shampoos können aus „biologischen Nährstoffen“ gefertigt werden, so dass eine sichere Entsorgung dieser Produkte in die Umwelt jederzeit gewährleistet ist. Das gilt auch für die Verpackungen.Gebrauchsgüter, wie z. B. Autos, Waschmaschinen oder Fernsehgeräte, enthalten „technische Nährstoffe“. Diese Produkte stellen im Grunde genommen nur einen Service für ihre Nutzer bereit und können so hergestellt werden, dass nach Ablauf ihrer „Dienstzeit“ ein Recycling ihrer Bestandteile möglich ist. Genau genommen möchte der Mensch schließlich gar nicht das TV-Gerät mit all seinen Schadstoffen, sondern nur das Fernsehprogramm. Güter, die nicht mehr zu vermarkten sind, wie z. B. gefährlicher Abfall, stellen eine Gefahr für Gesundheit und Umwelt dar und sollten so rasch wie möglich ersetzt werden.

Aus der Ausrichtung der Produkteigenschaften auf die Anforderungen des Cradle to Cradle®-Design-Konzepts resultiert eine „ABC-X“-Einstufung. Die X-Liste zeigt Substanzen auf, die aus allen Produkten entfernt werden sollten, weil sie bekannt dafür sind, krebserregend, mutagen oder auf andere Weise zerstörend auf Mensch und Tier zu wirken. Die Substanzen auf der „Gray List“ sind zwar nicht ideal, es gibt für sie jedoch noch keine Ersatzstoffe, so dass sie momentan für die weitere Produktion unverzichtbar sind. Substanzen aus der passiven Positiv-Liste können genutzt werden, weil sie keinen Einfluss auf die Umwelt haben. Ziel ist es jedoch, Substanzen zu nutzen, die in der aktiven Positiv-Liste aufgrund ihrer nützlichen Qualitäten zusammengefasst werden, weil diese Substanzen absolut verträglich für die Gesundheit des Menschen und die Umwelt sind.

Sobald Produkte nach dem öko-effektiven Ansatz optimiert sind und in das Cradle to Cradle®-Bezugssystem passen, kann die „Triple Top Line“ hinzugezogen werden. Die Triple Top Line übernimmt das Konzept der „Triple Bottom Line“ ändert jedoch die Sichtweise: Fort von einer „Reduzierung der Nachteile“ und hin zu einer „Maximierung des Nutzens“. Diese neue Design-Perspektive erzeugt Triple Top Line-Wachstum: Produkte, die förderlich für die Natur und Kultur sind und gleichzeitig ökonomischen Wert haben. Das Design für die Triple Top Line orientiert sich an den Gesetzen der Natur und zeigt der Industrie Vorgehensweisen auf, um Systeme entwickeln zu können, die auch in Zukunft sicher funktionieren. In intelligent hergestellten Produkten, Prozessen und Produktionsstätten sind Werte und Qualität so enthalten, dass sie erfreuliche anstatt beklagenswerter Spuren hinterlassen.

Braungarts Terminologie

„Abfall“ ist gleichbedeutend mit „Nahrung“ – Das erste Design-Prinzip der „nächsten industriellen Revolution“: Alle Produkte werden als „Nährstoffe“ angesehen, die in „biologischen“ oder „technischen“ Kreisläufen fließen.

Biologischer Nährstoff – Grundmaterial, dass von Organismen – auch auf zellulärer Ebene – genutzt wird, um Lebensprozesse aufrecht zu erhalten. Gewöhnlich basieren biologische Nährstoffe auf Kohlenstoffverbindungen.

CRADLE TO CRADLE („C2C“ – Von der „Wiege zur Wiege“) – Ein Modell für industrielle Prozesse, in dem alle Materialien in geschlossenen biologischen oder technischen Kreisläufen fließen. „Abfälle“ existieren in diesem Sinne nicht, d.h. „Abfall“ ist – wie in der Natur – gleichbedeutend mit „Nahrung“.

Design Chemistry – Bezieht sich auf die Aufnahme und Berücksichtigung von weitgefächertem Fachwissen bei Produktanalyse, -herstellung und Re-Design hinsichtlich umwelt-intelligenter Kriterien.

Downcycling – Die übliche Praxis, Material so zu recyceln, dass viel wertvolles Material verloren geht (z. B. beim Recycling von Plastik, das oft nur zu Parkbänken wird).

Gebrauchsgüter – Produkte, die von Kunden gebraucht (nicht verbraucht) werden, aber im Eigentum der Hersteller bleiben, so dass Kunden von der Bürde ihrer Entsorgung befreit sind. Die „technischen Nährstoffe“ dieser Produkte werden in geschlossenen technischen Kreisläufen geführt und unterliegen einer ständigen Optimierung.

Nicht verwertbare Güter – Produkte, die weder konsumiert werden können, noch in organischen oder industriellen „Stoffwechseln“ genutzt werden können. Ein sicheres Recycling dieser Produkte ist zurzeit nicht möglich. Solche Produkte sollten möglichst bald ersetzt werden. Eine sichere Lagerung sollte gewährleistet sein.

Öko-Effektivität – Cradle to Cradle-Design Strategie, die gleichzeitig ökonomische, ökologische und soziale Werte berücksichtigt und die Voraussetzungen schafft, dass eine humane, sichere, profitable und regenerative Industrie „intelligente“ und gesunde Produkte herstellen kann.

Öko-Intelligenz – Elegante Lösungen im Umgang mit Ressourcen, die von natürlichen Systemen und Prozessen demonstriert werden (z. B. durch Nährstoff-Kreisläufe, Wechselbeziehungen, „Feier“ von Vielfalt, Nutzung der Sonnenenergie, Regeneration etc.).

Technischer Nährstoff – Material, das so konzipiert ist, dass es fortwährend in geschlossenen industriellen Kreisläufen fließt.

Upcycling – Gewünschte Praxis, so zu recyceln, dass kein wertvolles Material verloren geht (Gegenteil von „Downcycling“).

Verbrauchsgüter – Produkte, die für geschlossene biologische Kreisläufe konzipiert sind und so Nährstoffe für die Lebewelt darstellen. Auf diese Art konzipierte Produkte befreien von Überlegungen zu Aspekten der Entsorgung von „Abfall“ (s. Cradle to Cradle).

Prof. Dr. Michael Braungart

  • Lehrstuhl für Cradle to Cradle Innovation und Qualität an der Rotterdam School of Management (RSM) der Universität Twente  in Enschede
  • Gründer und Wissenschaftlicher Geschäftsführer der EPEA Internationale Umweltforschung GmbH
  • Mitbegründer der MBDC McDonough Braungart Design Chemistry, L.L.C. in Charlottesville
  • Gründer und Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Hamburger Umweltinstitut e.V.

->Quellen:

Besser statt billiger durch „Cradle to Cradle“

IG Metall: Ein neuer Ansatz für grüne Innovationen

Cradle to Cradle - logoIm Beruf Gutes tun, neue Produkte entwickeln und herstellen, die nicht nur weniger schädlich für Umwelt, sondern sogar nützlich sind – das ist gute Arbeit, die jeder Beschäftigte anstrebt. Das Cradle to Cradle-Prinzip ist ein Ansatz, um die Produktion genau dahin zu entwickeln.

IG Metall logoAm Vorbild der Natur will Prof. Dr. Michael Braungart die industrielle Produktionsweise ausrichten: Die Natur ist nicht effizient, sie produziert im Überfluss. Aber: Die Natur kennt auch keinen Abfall, denn alles wird früher oder später zum Nährstoff für ein anderes Produkt. An diesem Prinzip orientiert sich auch das von ihm entwickelte „Cradle to Cradle“ („von der Wiege bis zur Wiege“). Dabei werden unter Verwendung von umweltsicheren, gesunden und wiederverwertbaren Materialien Produkte hergestellt. Nach Ende ihres Gebrauchswertes können diese Produkte dann in ihre Ausgangskomponenten und -materialien zerlegt und wiederum zu neuwertigen Gebrauchsgütern wiederverarbeitet werden. Ein Kreislauf, der sich unendlich oft wiederholen lässt.

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