Deutsches Umweltpapier für Papst

Umweltschützer übergeben Franziskus Ausarbeitung zur Enzyklika Laudato Si‘

Papst Franziskus (20-03-2013) Foto © Presidência da Republica, Roberto Stuckert Filho, Agência Brasil. Liz. CC BY 3.0 BR über Wikimedia Commons

Im Rahmen einer Generalaudienz und der Teilnahme an der Vatikan-Konferenz „Radical ecological conversation after Laudato Si'“ übergaben Vertreter der deutschen Umweltbewegung Papst Franziskus am 07.03.2018 das Diskussionspapier „Verantwortung im Zeitalter des Menschen“ zur Umwelt-Enzyklika Laudato Si‘ – so eine Pressemitteilung des BUND.

Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND, Michael Müller, Vorsitzender der NaturFreunde Deutschlands und früherer Umweltstaatssekretär, Bärbel Höhn, ehemalige Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen und NRW-Umweltministerin a.D. sowie Josef Göppel, ehemaliger CSU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Deutschen Verbands für Landschaftspflege (DVL), unterstützen die Bemühungen des Papstes hin zu einer „Humanökologie“, die eine ganzheitliche und nachhaltige Entwicklung möglich macht.

Kongress an der Papst-Universität: Wie geht ökologische Bekehrung?
Mit Möglichkeiten einer „radikalen ökologischen Bekehrung“ befasste sich ein zweitägiger Kongress vom 07.03. bis 08.03.2018 an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom unter dem Titel „Radical ecological conversion after Laudato Si'“. Dabei erörterten internationale Theologen und Naturwissenschaftler, wie die katholische Kirche individuell wie strukturell auf besseren Arten- und Klimaschutz sowie auf Nachhaltigkeit und die Wahrung der Würde der Geschöpfe hinwirken kann. Referenten sind unter anderem der Leiter der vatikanischen Entwicklungsbehörde Kardinal Peter Turkson, der Klimaforscher Ottmar Edenhofer und die deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl, Annette Schavan.
Leitfaden des Kongresses ist die Umwelt-Enzyklika Laudato Si‘. Zum Auftakt wollen deutsche Umweltvertreter Papst Franziskus bei der Generalaudienz am Mittwoch ein Diskussionspapier zum Thema „Verantwortung im Zeitalter des Menschen“ überreichen. Den Anstoß zu der Veranstaltung gab die georgische Vatikan-Botschafterin Tamar Grdzelidze. Die orthodoxe Theologin befasste sich intensiv mit dem Thema „Bewahrung der Schöpfung“. (Nach domradio)

Deutscher Naturschutzring hofft auf päpstliche Unterstützung: „Unterschiedliche Rollen mit dem gleichen Ziel“

Beeindruckt von der Audienz zeigte sich der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert im Interview mit dem domradio: „Wir freuen uns über die katholische Kirche als starken Partner,“ meinte er hinterher. „Für einen eher nüchternen Vertreter der Umweltbewegung, wo wir uns ja viel auf wissenschaftliche Daten stützen und für uns Biodiversität im Vordergrund steht – aber wo wir am Ende das Gleiche ausdrücken wollen wie Papst Franziskus – war das schon ein beeindruckendes Erlebnis, mit welcher Verve, mit welcher Empathie dieser Mensch zu seinen Gläubigen spricht.“

Für Niebert war wichtig, dass man unterschiedliche Rollen einnehme mit dem gleichen Ziel vor Augen: „Die Bewahrung der Schöpfung, die Bewahrung der Vielfalt, die Schaffung eines nachhaltigen Zeitalters. Während wir als Umweltvertreter ja häufig eher zu den Köpfen sprechen, ist es wichtig, einen Verbündeten zu haben, der die Menschen tatsächlich in ihren Herzen erreicht. Das gelingt uns häufig noch nicht so.“ Obwohl die Umweltbewegung, wenn auf die letzten Jahrzehnte schaue, doch an vielen Stellen erfolgreich gewesen sei, aber „global betrachtet hat das, was wir bewirkt haben, häufig nur einen homöopathischen Einfluss gehabt. Das, wozu wir übergehen müssen, ist, Umweltpolitik als Gesellschafts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik zu begreifen.“

Niebert zitierte dazu ein aktuelles Beispiel: Das BMUB habe einen Haushalt von 5,6 Milliarden Euro – dem gegenüber stünden aber jedes Jahr 59 Milliarden Euro an umweltschädlichen Subventionen. Da sei es zwar schön, ins Umweltministerium zu fahren und Workshops zu machen, aber die Entscheidungen würden woanders getroffen: „Genau an diese Entscheidungen müssen wir ran. Und da sehen wir einfach, dass wir alleine als Umweltbewegung – der in Deutschland immerhin elf Millionen Menschen angehören – das nicht schaffen und freuen uns deswegen, jetzt in der katholischen Kirche einen starken Partner zu haben – hoffentlich auch in Deutschland, mit dem Papst im Rücken.“

Diesel-Fahrverbotsschild der DUH – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Weiter sagte Niebert: „Der Glyphosatskandal, die Dieselaffäre und der sich verstärkende Klimawandel zeigen, dass unsere Form Wohlstand auf Kosten von Mensch und Natur zu produzieren nicht zukunftsfähig ist. Wir sehen die dringende Notwendigkeit, in einem breiten, internationalen Dialog endlich zu einem Umsteuern zu kommen, in dem, wie wir arbeiten, leben und produzieren. Dass die katholische Kirche sich in der Enzyklika des Papstes in diesen Punkten so eindeutig für Leben und Umwelt positioniert, ist ein wichtiges Signal für einen großen Teil der Menschheit“.

Unbegrenzte Verfügbarkeit der natürlichen Güter = Lüge

Hubert Weiger – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Die päpstliche Enzyklika knüpft an den Sonnengesang des Franz von Assisi aus dem Jahr 1225 an. Sie widerspricht der Lüge von der unbegrenzten Verfügbarkeit der natürlichen Güter der Erde und will die Menschen in dem Ziel vereinen, radikal umzusteuern. In der Lehrschrift heißt es: „Infolge einer rücksichtslosen Ausbeutung der Natur läuft der Mensch Gefahr, sie zu zerstören und selbst zum Opfer dieser Zerstörung zu werden.“ In diesem Zusammenhang hob Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender hervor: „Von Seiten der Umweltbewegung begrüßen wir diese klare und deutliche Positionierung, die so von noch keinem Papst zuvor beschrieben wurde. Zu Recht kritisiert Papst Franziskus den ‚Anthropozentrismus‘, der immer mehr auf ein technisch-ökonomisches Wachstumsparadigma verengt wird. Eine ökologische Selbstvernichtung, die vor Jahren undenkbar schien, wird auch vor dem Hintergrund des aktuellen Artensterbens immer realistischer.“

Michael Müller – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Auch in Deutschland gebe es einen eklatanten Widerspruch zwischen dem Wissen über die Naturzerstörung und den Konsequenzen, die daraus gezogen würden, kritisiert der Vorsitzende der NaturFreunde Deutschlands, Michael Müller. „Die Aufgaben im Bereich Umwelt- und Naturschutz werden immer größer, im Rahmen der Koalitionsverhandlungen aber wurde das künftige Umweltministerium deutlich verkleinert. Wir brauchen dringend eine Verkehrswende, stattdessen werden hier immer mehr spritfressende Geländelimousinen gebaut und zugelassen“ – und: „Im Wahlkampf spielte die sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft kaum eine Rolle. Auch deshalb ist es in Deutschland so wichtig, die vom Papst angestoßene Debatte offen und kritisch zu führen und die Antworten nicht im Altbekannten zu suchen.“

Endlich ernsthaft und breit die großen Zukunftsfragen diskutieren

Das Wichtigste aus Sicht der Autoren ist, dass die großen Zukunftsfragen in der Gesellschaft und in der Politik endlich ernsthaft und breit diskutiert werden. Die Vertreter fast aller Parteien sprächen zwar sorgenvoll über die großen Zukunftsaufgaben, doch ihre Lösungsansätze blieben an technisch-ökonomische Zwänge gebunden. Die Gestaltung der sozial-ökologischen Transformation werde als Ziel aus den Augen verloren. Deshalb wollen die Vertreter der deutschen Umweltbewegung Papst Franziskus bei der Umsetzung der Enzyklika Laudato Si‘ unterstützen, in Deutschland die Debatte konsequent vorantreiben und den Weg hin zu einer solchen Transformation beschreiten.

Das umweltpolitische Diskussionspapier rege anhand von konkreten Punkten an, die päpstlich angestoßene und weltweit geführte Debatte fortzuführen. In einem ersten Ansatzpunkt widmen sich die Autoren der Gegenwart, in der der Mensch inzwischen zur stärksten geologischen Kraft im planetaren Maßstab geworden sei – dem sogenannten Anthropozän. „Was muss heute in Zeiten der Freiheit getan werden, um künftiges Handeln in Unfreiheit zu vermeiden? Wie kann eine Welt aussehen, die weder Mangel noch Überfluss kennt?“ Des Weiteren äußern sich die Umweltvertreter zu dem Prinzip Verantwortung: „Wie sieht Verantwortung aus, die eine Fortschrittsutopie bewahrt? Wie sieht Nachhaltigkeit in Zeiten des ‚Immer-mehr‘, ‚Immer-weiter‘ und ‚Immer-schneller‘ aus? Und wie kann der Weg hin zu einer qualitativen Entwicklung beschritten werden, die Freiheit, Fortschritt und Gerechtigkeit auf Dauer miteinander verbindet?“

Darüber hinaus hält das Papier fest, dass die Menschheit selbst bei den global voranschreitenden Umweltzerstörungen nicht in einem Boot sitze. Es wirkten gewaltige Zugkräfte zwischen Arm und Reich, die die Konflikte verschärften. Letzten Endes, so schreiben die Autoren, gehe es auch um die Frage: Wie sieht eine Weltinnenpolitik aus? In den Augen der Umweltvertreter sei es unumstößlich, ein globales Programm für Arbeit und Umwelt aufzulegen. Der ökologische Umbau sei eine große Herausforderung in allen Weltregionen. Das Programm sollte deshalb den Umbau der Industrie- und Schwellenländer mit dem Aufbau in den Entwicklungsländern verbinden. Schlussendlich fordern die Autoren ganz konkret den notwendigen und schnellen Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter. Denn die Umweltschäden, die aus der Verbrennung von Öl, Kohle und Gas entständen, seien nicht mehr zu verantworten.

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