Beiträge der Kategorie: Internationale Politik

Viable World: Zusammenleben im Gemeinsamen Haus der Erde

von Jürgen Scheffran und Eberhard Schürmann

Dieser im Augustheft von Blickpunkt Zukunft veröffentlichte Beitrag ist dem Hamburger Physiker Gerhard Knies (10. Juli 1937 – 11.Dezember 2017) gewidmet. Er hatte sich zunächst mit großem Engagement für die Verbreitung von Erneuerbaren Energien eingesetzt (von ihm stammt der Begriff DESERTEC – Strom aus der Wüste). Auf ihn geht die Initiative des Viable World Design Network zurück, das Ende 2014 gegründet wurde. Die beiden Autoren haben in diesem Netzwerk mit ihm an vielen Diskussion teilgenommen, aus denen einige der hier vorgestellten Überlegungen hervorgingen, die in Konzeptpapieren zusammengefasst wurden, auf die hier u.a. Bezug genommen wird. Einige Aspekte wurden auch bei der gemeinsamen Tagung des Netzwerks mit der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) im Dezember 2018 über „Viable World: Gangbare Wege in eine lebensfähige und lebenswerte Welt“ in Hamburg diskutiert.

Die heutigen knapp 7,8 Milliarden Menschen überziehen die ökologische Leistungsfähigkeit der Erde um etwa die Hälfte. Zugleich wird die Bewohnbarkeit unserer Erde weniger durch das fortwährende Bevölkerungswachstum reduziert, sondern vielmehr wegen der Ideologie des ständigen Wirtschaftswachstums sowie der Krisenerscheinungen und Kämpfe von Nationalstaaten um Ressourcen und Macht, die die soziale und ökologische Selbstzerstörung der Menschheit vorantreiben. Bei einem klügeren Umgang mit der Erde könnte die Menschheit deren Bewohnbarkeit verbessern. Dafür bedarf es einer gemeinsamen Strategie für eine lebensfähige und lebenswerte Welt im gemeinsamen Hause der Erde, im Kontext einer Welt-Innenpolitik. Wenn die Menschheit jetzt beginnt, mit künftigen Generationen und den natürlichen Lebensgrundlagen zusammenzuleben (zu cohabitieren), und wenn sie aufhört, Krieg zu führen, kann sie überleben.

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Buchhinweis: „Willkommen im Anthropozän!“

Das Zeitalter des Menschen – eine Einführung

Paul Crutzen (2015) – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

„Wir befinden uns im Anthropozän!“, erzählt der Umweltwissenschaftler Erle C. Ellis, Autor des gleichnamigen Buches, habe Paul Crutzen, Meteorologe mit Forschungsschwerpunkt Atmosphärenchemie und und Nobelpreisträger, 2000 bei einer Konferenz ausgerufen. Er fragte sich nämlich, warum seine Kollegen unsere Zeit immer noch als Holozän bezeichneten? Habe die Menschheit seit dem Ende der letzten Eiszeit und dem Beginn des Holozäns die Erde doch so deutlich sichtbar umgestaltet! Von da an gewann der Vorschlag, die gegenwärtige geologische Zwischenzeit nach uns, dem Anthropos, umzubenennen – und die Kritik daran –, enorm an Schwung, sowohl innerhalb als auch außerhalb akademischer Kreisen.

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„Wer Steuertrickserei toleriert, provoziert Migration“

Pressemitteilung zum Abschluss des Forschungsprojekts „Steuergerechtigkeit und Armut“

jesuitenweltweit logoNürnberg, 19.03.2018 – Deutsch-afrikanisches Forschungsprojekt betont Zusammenhänge von unerlaubten,
illegalen Finanzströmen und globaler Armut –  Jörg Alt SJ: „Kenia und Sambia kämen ohne Entwicklungshilfe aus, wenn sie das, was in ihren Ländern erwirtschaftet wird, angemessen und fair besteuern könnten.“

Die Jesuitenmission Deutschland, das Jesuit Centre for Theological Reflection (Lusaka/Sambia) und das Jesuit Hakimani Centre (Nairobi/Kenia) veröffentlichen heute Ergebnisse ihrer fünfjährigen Forschungskooperation zu den Zusammenhängen von Steuergerechtigkeit und Armut in Deutschland (hier mit dem Schwerpunkt auf Bayern), Kenia und Sambia.

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15.000 Wissenschaftler sprechen eindringliche „Warnung an die Menschheit“ aus

Mit ihrer Hiobsbotschaft wollen Forscher aus der ganzen Welt die Menschheit wachrütteln – und bieten konkrete Lösungen an, um die katastrophalsten Folgen abzuwenden.

Mehr als 15.000 Wissenschaftler aus 184 Ländern sind sich einig: Wenn wir nichts gegen Klimawandel, Waldabholzung, mangelnde Frischwasserversorgung und das rasante Bevölkerungswachstum unternehmen, setzen wir die Zukunft der Menschheit aufs Spiel.Gemeinsam unterzeichneten die Forscher, zu denen renommierte Wissenschaftler wie Jane Goodall, E. O. Wilson und James Hansen gehören, einen Besorgnis erregenden Appell mit dem Titel „World Scientists’ Warning to Humanity: A Second Notice„, der am 13.11.2017 im Wissenschaftsjournal BioScience veröffentlicht wurde.

Mit insgesamt 15.373 Unterschriften von Forschern aus den unterschiedlichsten Disziplinen dürfte es sich um den Artikel mit dem größten wissenschaftlichen Rückhalt in der Geschichte handeln. Schon einmal hatten Wissenschaftler gemeinsam eine ähnliche Warnung verkündet: 1992 veröffentlichten 1.700 Wissenschaftler, darunter viele heutige Nobelpreisträger, den offenen Brief „World Scientists’ Warning to Humanity„.

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„Indien verzeichnet wirtschaftliches Wachstum, allerdings ohne Armutsminderung“

Der indische Befreiungstheologe Felix Wilfred im Interview mit Misereor

Misereor - LogoMit dem Welttag der Armen will Papst Franziskus „die Gläubigen anspornen, damit sie der Wegwerfkultur und der Kultur des Überflusses eine wahre Kultur der Begegnung entgegenstellen“. Die beiden Hilfswerke Adveniat und MISEREOR haben auf den verschiedenen Kontinenten Menschen interviewt, die sich mit ihrem Leben für die Armen einsetzen. Im folgenden Gespräch äußert sich der indische Befreiungstheologe Felix Wilfred zur Situation in Indien.

Verglichen mit anderen Nationen ist die Armutsquote in Indien besonders hoch. Warum führen die Bemühungen Indiens, diese Situation zu ändern, nicht zum Erfolg?

Felix Wilfred - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify 20171103
Felix Wilfred – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für EÖR-Blog 20171103

Felix Wilfred: Das liegt daran, dass Indien noch mehr als andere Nationen ein falsches Entwicklungsmodell verfolgt. Daher verzeichnet das Land zwar Wachstum (Indien ist heute, trotz gelegentlicher Rückschläge, die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft weltweit), jedoch ohne Armutsminderung. Das gegenwärtig weltweit vorherrschende Entwicklungsmodell führt zu falschen Prioritäten. Der Hochgeschwindigkeitszug „Bullet Train“ wird zur Priorität ernannt – ein Prestigeprojekt –, während 190 Millionen Menschen in Indien Tag für Tag hungern und 97 Millionen Kinder aufgrund von Mangelernährung untergewichtig sind. Ein zweiter Grund ist, dass dieses Entwicklungsmodell in einem Land umgesetzt wird, das nicht über die richtigen Voraussetzungen verfügt. Bevor China unter sozialistischem Regime den Weg zu einer liberalen Wirtschaft einschlug, nahm man eine Landverteilung vor, sorgte für ein einigermaßen funktionierendes öffentliches Gesundheitswesen usw. Indien sprang auf den Zug der Globalisierung und der freien Wirtschaft auf, ohne vorher diese Voraussetzungen zu schaffen. Daher bleiben beim vorherrschenden Entwicklungsmodell, dem Indien folgt, Millionen von Armen auf der Strecke, während man darüber nachdenkt, wie man das Bruttoinlandsprodukt steigern und mit anderen Nationen in der Entwicklung konkurrieren kann. Der Leitspruch des Wirtschaftsliberalismus, dem Indien folgt, lautet: Wer nicht konkurriert, stirbt. In Indien sterben aber Menschen, weil fehlgeleitete Politiker und Planer konkurrieren wollen; und in diesem Prozess werden in einem in der indischen Geschichte ungekannten Ausmaß die ohnehin Wohlhabenden immer noch reicher.

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Relektüre von Jacksons „Wohlstand ohne Wachstum“

„Mehr Spaß mit weniger Zeug“

Als Tim Jacksons Buch Wohlstand ohne Wachstum vor sechs Jahren zum ersten Mal erschien, entwickelte es sich schnell zum Standardwerk, zur „Bibel der Wachstumskritik“. Jacksons brisante Diagnose lautete: „Unsere gesamte Wirtschaftsordnung baut auf ewigem Wachstum auf – aber nun brauchen wir einen anderen Motor“ – und daran hat sich bis heute nichts geändert – so der Einladungstext der Heinrich-Böll-Stiftung, die das Buch am 19.07.2017 in Berlin präsentierte.

Barbara Unmüßig und Tim Jackson bei Buchpräsentation – Foto © Gerhard Hofmann

Das Buch bietet eine aktuelle Analyse der Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrisen, des ungebrochenen Strebens nach Wachstum und schildert Chancen und Herausforderungen einer Postwachstumsgesellschaft, welche die ökologischen Grenzen unseres Planeten nicht überschreitet und trotzdem im Wohlstand lebt. weiterlesen

Finanztransaktionssteuer auf Eis gelegt

Macron will nicht – dafür gemeinsamer Kampfjet

Proteste für die Transaktionssteuer gibt es schon lange. Seit 2014 wird sie in der EU ernsthaft verhandelt. Jetzt liegt sie auf Eis, wie Steffen Stierle auf EURACTIV.de schreibt.Die seit Jahren angekündigte Finanztransaktionssteuer (FTS) wird vorerst nicht kommen – weil Präsident Macron britische Banken nach Frankreich locken will.

Stattdessen wollen Deutschland und Frankreich einen europäischen Kampfjet entwickeln: Am 13.07.2017 reiste Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Kabinett zum deutsch-französischen Ministerrat nach Paris. Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs unterhielten sich unter anderem über gemeinsame Vorhaben wie eine europäische Verteidigungspolitik und Initiativen für mehr Investitionen in Europa. Beide Länder wollen langfristig gemeinsam einen neuen europäischen Kampfjet entwickeln, der den von der Bundeswehr verwendeten Eurofighter und die französischen Maschinen vom Typ Rafale ersetzen soll.

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Experten fordern Finanztransaktionssteuer

Weckruf aus der Finanzbranche: 52 Finanzmanager raten zur Einführung der “Steuer gegen Armut“

Oxfam logoVor dem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel haben 53 führende Finanzexperten auf die Einführung der Finanztransaktionssteuer (FTS)  gedrängt. In einem offenen Brief argumentierten sie laut einer Mitteilung von Oxfam, dass die Steuer die Finanzmärkte stabilisieren und die Einnahmen der Regierungen erhöhen würde.

Am  10. Juli 2017 trafen sich die Finanzminister der zehn am Verhandlungsprozess beteiligten Länder in Brüssel; es wurde allgemein erwartet, dass sie über die FTS beraten würden. Aus diesem Anlass wandten sich 52 führende Experten der globalen Finanzindustrie in einem offenen Brief an die europäischen Staats- und Regierungschefs, und forderten sie auf, sich für die sofortige Einführung der FTS einzusetzen. Der offene Brief war eine Aktion von Oxfam und der Kampagne „Steuer gegen Armut“. weiterlesen

„Große Transformation und die Medien“

Alternativen zum Wachstum als Leitbild der Kommunikation – eine Tagung der Evangelischen Akademie zu Berlin

Die Menschen verändern den Planeten in einem nicht gekannten Ausmaß, so dass von einem neuen Erdzeitalter – dem Anthropozän – gesprochen wird. Zugleich erreichen uns paradoxe Bilder: Einerseits vertreten viele Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik die Vision eines linearen Fortschritts. Andererseits erreichen uns Bilder rauchender Regionen, öder Ökosysteme und uns unbekannter, aber bereits weggestorbener Arten. Bilder und Hinweise auf Problemlösungen, auf Handlungspotenziale in Richtung einer „Großen Transformation“, um der Verantwortung im Anthropozän gerecht zu werden, sind angesichts dessen selten. Eine Tagung*) in der Evangelischen Akademie zu Berlin untersuchte am 10. und 11.07.2017 Bedingungen und Ursachen entlang der Frage: „Wie kommuniziert man die Wende, das Neue Anthropozän?“

Die Tagung thematisierte die Rolle der Medien im anstehenden Transformationsprozess, ihr Versagen bei der Darstellung komplexer Sachverhalte und fragte, wie alternative gesellschaftliche Leitideen initiiert werden, die von einem anderen Fortschritt erzählen.

Evangelische Bildungsstätte Berlin-Schwanenwerder – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

*) in der Tagungsstätte Schwanenwerder der Evangelischen Akademie zu Berlin, konzipiert vom Forschungszentrum für Umweltpolitik der FU Berlin (FFU), dem Wissenschaftsjournalisten Manfred Ronzheimer und unterstützt von BUND, BMUB und UBA.

Michael Hartmann, Direktor EAB – Foto © Gerhard Hofmann

Akademie-Direktor Michael Hartmann ging in seiner Eröffnung auf den Titel der Tagung Die „Frage der Alternativen zum Wachstum als Leitbild der Kommunikation“ ein – man könne auch „Narrativ“ sagen oder „Mythos der Wachstumsgesellschaft“. Der sei allerdings inzwischen „zu einer dreckigen Shortstory verkommen“. Einige Chaoten beim Hamburger Gipfel hätten auf die Frage, was sie denn wollten, „China vor 76“ gesagt – und Zustände vor der Kulturrevolution gemeint. Unter anderem um solche Verirrungen zu verhindern, müssten wir aktiv werden. weiterlesen

Update TTIP, CETAQ, JEFTA und EPAs

Kurzbriefing über Freihandelsabkommen der EU
– von Martin Häusling, MdEP –

Aktueller Stand TTIP

Zurzeit liegt TTIP auf Eis, da der amerikanische Präsident Trump dieses bisher ablehnt (TPP, das Freihandelsabkommen mit den Pazifikstaaten, kündigte er schon auf). Trotz Handelsstreitigkeiten zwischen Deutschland und den USA haben allerdings sowohl die deutsche Kanzlerin Merkel als auch der US-Handelsminister Ross im Juni bekräftigt, TTIP wieder aufleben lassen zu wollen.

State of EU-Trade - Grafik © martin-haeusling.eu

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