Beiträge der Kategorie: Finanzpolitik

EZB weigert sich, ethische Kriterien anzuwenden, ignoriert Verpflichtung auf EU-Grundrechtecharta

Skandalöses Verhalten der EZB und des Petitionsausschusses

Der Petitionsausschuss des EU-Parlaments hat die am 15.05.2017 eingereichte und angenommene „Petition Nr. 0429/2017, eingereicht von Harald Bolsinger, deutscher Staatsangehörigkeit, zur Einhaltung der EU-Grundrechtecharta durch die Europäische Zentralbank“ stillschweigend zu den Akten gelegt. Am 27.09.2023 verschickte der Ausschuss kommentarlos eine dürre Mail an die 78 Unterstützer, in der die Petition als „abgeschlossen“ bezeichnet wurde. Angehängt lediglich eine längst bekannte „Zusammenfassung der Petition“:

„Der Petent fordert das Europäische Parlament dazu auf, seine Haltung zu den ‚indirekten Verletzungen‘ der EU-Grundrechtecharta durch die Europäische Zentralbank (EZB) zu äußern. Der Petent vertritt die Ansicht, dass die EZB, eine wichtige EU-Institution, die Operationalisierung ihrer Mindestreservepflichten für Kreditinstitute anders handhaben sollte. Dabei fordert der Petent, den operativen Rahmen der EZB auf andere Weise zu regeln. Eine Änderung des Regulierungsrahmens hätte den Zweck, (1) für die Einhaltung ethischer Grundsätze und Grundrechte durch seitens der EZB anerkannte Wertpapieremittenten zu sorgen und (2) die Einhaltung der Mindestreserveanforderungen mit einer unabhängigen, öffentlich konsultierbaren Nachhaltigkeits-Ratingagentur zu verknüpfen. Zur Unterstützung seiner Petition legt der Petent eine Analyse von Daten vor, welche durch die im Bereich nachhaltiger Geldanlagen tätige internationale Ratingagentur Oekom Research AG bereitgestellt wurden. Dem Petenten zufolge zeige die Analyse, dass bis zu 88 % der Unternehmen, deren Wertpapiere im Rahmen des EZB-genehmigten Mindestreservenprogramms gehandelt werden, zahlreiche Bestimmungen der EU-Grundrechtecharta nicht erfüllen. Zu den aufgeführten Unternehmen zählen Airbus Group, Eni SpA, Wells Fargo & Co., Anheuser-Busch InBev SA/NV und Lafarge Holcim Ltd. Die behaupteten Verletzungen der Charta umfassen Wirtschaftsdelikte in den Bereichen Umweltschädigung, Kinderarbeit, Arbeitnehmerausbeutung und Waffenhandel.“

Zur Vorgeschichte

In den Zulassungskriterien für Wertpapiere und notenbankfähige Sicherheiten für geldpolitische Geschäfte mit der EZB (siehe z.B. Amtsblatt der Europäischen Union L 91/3, 2.4.2015) sind keine Beschränkungen ethischer Art explizit aufgeführt. Die Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „Menschenrechte“ kommen in der entsprechenden Leitlinie nicht vor. Das wurde zum Anlass genommen, die von der EZB als Kreditsicherheit akzeptierten Wertpapiere zunächst hinsichtlich ethischer Kontroversen zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen eine aus Sicht des Würzburger Professors Harald Bolsinger inakzeptable Regulierungslücke, da die Wertpapiere mit zahlreichen ethischen Kontroversen in Verbindung stehen, die der EU-Grundrechtscharta als Mindeststandard nicht gerecht werden. Der Autor entschied sich, eine öffentliche Petition beim Europäischen Parlament einzureichen. Die Petition wurde am 08.05.2017 eingereicht und am 15.05.2017 unter der Nr. 0429/2017 mit dem Namen „Verpflichtung der Europäischen Zentralbank auf EU Grundrechtscharta“ registriert.

Die Petition wurde in der Sitzung des Petitionsausschusses am 11.10.2017 in Brüssel behandelt und wurde in letzter Minute akzeptiert. Eine Kommentierung der Sitzung durch den Petenten erfolgte in den CSR-News (Abdruck im Forum-Wirtschaftsethik): „Es ist überfällig, die weltweite Finanzbranche zur Berücksichtigung moralischer Mindeststandards in Ihrem Finanzierungsgebaren zu bewegen. Hierzu bei den Geschäften der Zentralbanken anzusetzen, ist der richtige Schritt. Vor allem von der Europäischen Zentralbank müssen wir erwarten können, dass zumindest die Werte der europäische Grundrechtscharta nicht verletzt werden. Sollte die EZB durch diese Petition angehalten werden, ihre als Kreditsicherheiten akzeptierten Wertpapiere einer Ethikprüfung zu unterziehen, könnte dies Folgewirkung für alle Geschäftsbanken europaweit haben. Alle Banken könnten dann angehalten werden, unethische Wertpapiere zumindest bei ihren Geschäften mit der EZB nachweisbar auszuschließen.“

  • Anfang Dezember 2017 kündigte der Petitionsausschuss die Einholung von Stellungnahmen an – unter anderem von der EZB selbst:  Antwort_Petitionsausschuss20171130 (PDF)
  • Im Januar 2018 wurde die Untersuchung aktualisiert und mit einem Begleitschreiben an die relevanten Stellen übermittelt: !PetitionEZB_Bolsinger_012018-WEB (PDF) 
  • Nachdem Anfang März 2018 noch keinerlei Feedback seitens des Ausschusses oder der angefragten Politiker vorlag und das Thema auch in der Strategievorstellung der EU für einen nachhaltigen Finanzmarkt bislang nirgends explizit zur Sprache kam, wurde am 7.3.2018 eine englische Version erneut an die relevanten Stellen übermittelt: !PetitionEZB_Bolsinger_012018-ENGLISH (PDF)
  • Anfang April 2018 hat das Handelsblatt (Susanne Bergius) die EZB zur Petition direkt befragt. (Siehe Publikation vom 13.04.2018) Die Auskünfte des EZB-Sprechers zeigen, dass die Petition mit ihrem simplen Anliegen entweder nicht vollständig gelesen oder gar nicht verstanden wurde, oder aber, dass die seitens EZB zu erwartende Antwort darauf abzielen wird, sich nicht ändern zu müssen. Der Artikel von Susanne Bergius wurde ins Englische übersetzt und am 16.04.2018 wie oben an die relevanten Stellen zur Kenntnis und Berücksichtigung übermittelt – auch an die EZB selbst, um ihre Antwort an den Petitionsausschuss wohlüberlegt noch einmal überarbeiten zu können.
  • September 2018: Die Antworten des Vorsitzenden des Ausschuss für Wirtschaft und Währung (Antwort_des ECON Ausschuss_0429-2017_ECON-Reply) und der EZB  (ECB Reply_June 2018_WEB) gehen an keiner Stelle auf die relevanten Punkte ein und sind erst nach mehreren Mahnungen eingetroffen. Um die Fehldarstellungen den von der EZB zitierten Personen aufzuzeigen, wurden entsprechende Schreiben verschickt (ECB Reply_June 2018-ReactionBolsinger_WEB). Auch die Europäische Kommission hat verdeutlicht, dass aus ihrer Sicht die EZB im Hinblick auf die Einhaltung der Grundrechte einfach tun und lassen kann, was sie für richtig hält (StellungnahmeEuropKommission_Petitionsausschuss201808).

Ausweichende und verschleppte Antworten sämtlicher Verantwortlicher bis zu diesem Zeitpunkt zeigen auf, wie schlimm es um die Grundrechte im europäischen Finanzmarkt wirklich steht. Es bleibt abzuwarten, wann Politikerinnen und Politiker sowie Bürgerinnen und Bürger das nicht mehr akzeptieren.

Sachverhalt:

Die EZB ist durch die Akzeptanz von fragwürdigen Wertpapieren zur Besicherung ihrer geldpolitischen Operationen im großen Stil daran beteiligt, grundlegende Werte der Europäischen Union zu untergraben. Die Auswirkungen dieses Handelns haben wegen ihres großen Transaktionsvolumens wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Europäischen Union. Der Handel und Besitz von mit Verstößen gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Verbindung zu bringenden Wertpapieren ist von der EZB und ihren Erfüllungsgehilfen deshalb zu unterlassen.

4.781 Banken und Sparkassen waren 2017 im Eurogebiet verpflichtet, Mindestreservemittel bei der EZB (bzw. ihrer nationalen Zentralbank) zu halten. Weitere 2.493 Finanzinstitute und Fonds waren gelistete Geschäftspartner der EZB für Refinanzierungsgeschäfte. Damit standen 7.274 Banken, Sparkassen, Geldmarktfonds, und Finanzinstituten einschließlich nationaler Zentralbanken in der Pflicht, so genannte notenbankfähige Sicherheiten für geldpolitische Geschäfte mit der EZB in ihrem Portfolio zu halten. Das gehandelte Volumen dieser Wertpapiere beläuft sich derzeit auf ca. 14 Billionen € und ist damit ein wesentlicher Hebel für oder gegen die Verwirklichung europäischer Werte in der Realwirtschaft. Die EZB (bzw. die jeweilige nationale Zentralbank als Erfüllungsgehilfe) wird als Pfandgläubigerin notenbankfähiger Sicherheiten Besitzerin der entsprechenden Wertpapiere. Der Handel und Besitz von Wertpapieren, welche die Charta der Grundrechte der Europäischen Union untergraben, schadet der Europäischen Union. Für eine europäische Institution wie die EZB ist dies nicht hinnehmbar und kann auch nicht durch geldpolitische Unabhängigkeit gerechtfertigt oder gar begründet werden.

Beleg:

Die Website der EZB bietet Zugriff auf ihr täglich aktualisiertes Verzeichnis marktfähiger Sicherheiten, welche sie zur Besicherung geldpolitischer Operationen akzeptiert (=marktfähige notenbankfähige Sicherheiten). Hinzu kommen nicht veröffentlichte, nicht marktfähige Wertpapiere, welche die Notenbankfähigkeitskriterien erfüllen und ebenfalls zur Besicherung akzeptiert werden. Die marktfähigen Sicherheiten aller Emittenten, welche die Notenbankfähigkeitskriterien am 3.1.2018 erfüllen, wurden am 4.1.2018 mit tagesaktuellen Ratings von der unabhängigen Nachhaltigkeitsratingagentur oekom research AG (oekom) untersucht. Von den 29.445 Wertpapieren konnten 25.111 mit tagesaktuellen Ratings geprüft werden, was einem Abdeckungsgrad von 85% entspricht. Bei der Untersuchung wurde erneut nur auf schwerwiegende und sehr schwerwiegende ethische Kontroversen der schon 2017 exemplarisch untersuchten Aspekte der EU Grundrechtscharta abgestellt (Art. 32 Kinderarbeit; Art. 37 Umweltschutz; Art. 5 Menschenrechtsverletzungen wie z.B. Zwangsarbeit; Steuervermeidung und Korruption). Die Prüfung ergab erneut folgende alarmierenden Ergebnisse (und damit eine Zunahme der Verstöße):

Schwerwiegende Kontroversen im Geschäftsgebaren bezüglich…/Wertpapieranzahl im EZB- Verzeichnis marktfähiger Sicherheiten…

  • Steuerzahlungen   481 Stück
  • Geldverkehr 592 Stück
  • Korruption    936 Stück
  • Umweltschutz  480 Stück
  • Menschenrechtsverletzungen      72 Stück
  • Produktion geächteter Waffen      16 Stück

Abhilfe:

Um den Missstand einfach und wirksam zu beseitigen, ist bei den Kriterien für notenbankfähige Sicherheiten die dauernde Nichtverletzung der EU Grundrechtscharta als Zulassungsbedingung mit aufzunehmen. Compliance mit der EU Grundrechtscharta ist durch ein aktuelles Ethikrating regelmäßig nachzuweisen. Das Ethikrating kann wettbewerbspolitisch neutral durch die am Markt bereits verfügbaren unabhängigen Ethikratings etablierter Ratingagenturen transparent abgebildet werden, zu denen die EZB und alle weiteren Finanzmarktakteure jederzeit Zugang haben.

Begründung:

Aus der Existenz der EU Grundrechtscharta folgt eine selbstverständliche Verpflichtung für die EZB, wie oben vorgeschlagen vorzugehen. Da durch meine Analyse marktfähiger notenbankfähiger Sicherheiten massenhaft Verstöße gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union sichtbar geworden sind, erscheint eine explizite Aufnahme dieser europäischen Mindestmoral auch in die Statuten der EZB dringend erforderlich. Bisher sind EZB und der Europäische Finanzmarkt bei der Durchsetzung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht ausreichend einbezogen worden. Eine Korrektur wird die positive Entwicklung der Europäischen Union weiter fördern und das Vertrauen in die vorbildlichen Standards des europäischen Finanzmarkts als globalen Wettbewerbsvorteil stärken.

Beispiele für gefundene Kontroversen im Rahmen der EZB-Mindestreservefähigkeitsliste

Eine Beteiligung an der Produktion geächteter Waffen wird der Airbus Group unterstellt, zu der die Airbus Group Finance als von der EZB akzeptierter Wertpapieremittent gehört: „The company is involved in the production of nuclear weapons, which have been restricted by the Nuclear Non-Proliferation Treaty. The United Nations regards the way in which these weapons systems operate as inhumane. The deployment of banned weapons can undermine fundamental human rights such as ‚the right to life, liberty and security of person‘, Art. 3, United Nations Universal Declaration of Human Rights. Nuclear weapons are considered as particularly controversial because of their indiscriminate effects on civilians and the disproportionate harm they cause.”

Umweltzerstörung ist für die Eni SpA eine Kontroverse, die ein von der EZB akzeptierter Wertpapieremittent ist: “Environmental impacts of the product portfolio: The company’s products and/or services are generally not compatible with the achievement of sustainable development goals. Comment: The company is mainly active in the production and/or refining of crude oil. It also has some minor business activities in the field of products and/or services with clear environmental benefits (e.g. biofuels, renewable energies). However, these positive impacts are outweighed by the negative environmental impacts from the company’s core business activities.” Ebenso wird Royal Dutch Shell PLC, zu der die Shell International Finance BV als von der EZB akzeptierter Wertpapieremittent gehört, Umweltkontroversen unterstellt: “Continual major pollution due to flaring, spills and leaks in Nigeria.”

Verstöße im Geldverkehr bei Wells Fargo & Co als ein von der EZB akzeptierter Wertpapieremittent werden öffentlich diskutiert: “Business Malpractice: 2017: USD 295m in settlements related to unauthorised opening of accounts, US.“, “According to the US Consumer Financial Protection Bureau (CFPB) in September 2016, Wells Fargo will pay USD 185 million to settle accusations that between 2011 and 2016 its employees attempted to meet high sales targets set by the company as well as to earn additional compensation by unlawfully opening around 1.5 million unauthorised accounts for customers without their knowledge.”

Anheuser-Busch InBev SA/NV als ein von der EZB akzeptierter Wertpapieremittent wurde im Zusammenhang mit Vorwürfen zu Korruption öffentlich bekannt: „2016: USD 6m settlement with US Securities and Exchange Commission for corruption charges in India.”[10] Ebenso JPMorgan Chase & Co als ein von der EZB akzeptierter Wertpapieremittent: “In November 2016, JPMorgan Chase reached a settlement with the Securities and Exchange Commission (SEC) and the Department of Justice (DoJ) to resolve the allegations of hiring relatives and friends of Chinese officials in exchange for profitable business deals, thereby violating the Foreign Corrupt Practices Act.”

Hinweise zu möglicher Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen finden sich über LafargeHolcim Ltd mit der die Holcim Finance (Luxembg) S.A. als von der EZB akzeptierter Wertpapieremittent verbunden ist: “Media reported in June 2016 that Lafarge (before the merger with Holcim in 2015 to have become LafargeHolcim) made payment deals with the terrorist group Islamic State (IS) in 2013 through till September 2014. As reported, Lafarge was accused of purchasing licenses from and paying taxes to the jihadist group through IS middlemen and oil traders to continue production at its Jalabiya cement factory in 2013, when ISIS started taking control over the city. Allegedly, the headquarter was aware of such arrangements. The company did not comment on the allegations, saying only that safety and security of its employees is its priority.” Kontroversen zu möglichen Menschenrechtsverletzungen werden über die International Finance Corporation als von der EZB akzeptierter Wertpapieremittent diskutiert: “2013: Major human rights violations related to palm oil producer Corporacion Dinant in Honduras.”

Ebenso bei Ferrovial SA mit der die Ferrovial Emisiones, S.A. als von der EZB akzeptierter Wertpapieremittent verbunden ist: “In May 2016, Ferrovial took over the Australian company Broadspectrum (previously called Transfield Services). Broadspectrum has been the lead contractor managing Australia’s offshore detention centres for asylum seekers in Nauru since September 2012 and Papua New Guinea since February 2014. In June 2016, the camps hosted 442 and 854 people, respectively. The Australian government’s policy of keeping refugees in foreign detention centres and the conditions in the camps have been widely and repeatedly criticised by the international community, including several bodies of the United Nations, the Australian Human Rights Commission and several NGOs. Additionally, in April 2016, Papua New Guinea’s supreme court ruled that the centre in the country was unlawful and the country’s government said it would shut it. In August 2016, ‚The Nauru Files‘, a report published by the Guardian based on more than 2,000 leaked incidence reports from the camps, again shed light on numerous allegations regarding assaults, sexual abuse, self-harm attempts and bad living conditions. More than half of the reports involved children. Previously, allegations of misconduct had also been raised against some staff members of the service providers in the camp. Before the take-over, Ferrovial had indicated that the services in the detention centres were not a core part of the acquisition rationale and that it would not renew the contracts after they expire in February 2017. In response to the Nauru Files, Broadspectrum stated that it would take all allegations extremely seriously and that it had appropriately dealt with the allegations in accordance with the reporting system it has in place.”

Insgesamt sind in der EZB-Mindestreservefähigkeitsliste auf Basis des Forschungsdatensatzes der oekom viele fragwürdige Wertpapiere zu finden.

Die Ergebnisse belegen, dass eine systematische Überprüfung der EZB-Mindestreservefähigkeitsliste auf ethische Aspekte hin angezeigt ist und die EZB zukünftig regulatorisch verpflichtet werden muss, nur noch Wertpapiere zur Mindestreserve zu akzeptieren, die den ethischen Mindeststandards der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nachweislich nicht widersprechen.

Skandalöse Antwort der EZB auf Petition und Offener Brief

Petition Nr. 0429/2017 von Harald Bolsinger zur Übereinstimmung der Europäischen Zentralbank mit der EU-Charta der Grundrechte – Antwort der EZB – Erwidernde Antwort der Weltethos-Forschungsgruppe als Offener Brief

Sehr geehrter Herr Abgeordneter des Europäischen Parlaments,
Sehr geehrte Frau Montserrat,
Vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie die Europäische Zentralbank (EZB) um weitere Informationen zu ihrer Antwort auf die Petition Nr. 0429/2017 von Harald Bolsinger (Deutsch) über die Einhaltung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) durch die EZB ersuchen. Das vorrangige Ziel der EZB besteht gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden „Vertrag“) darin, mittelfristig Preisstabilität zu gewährleisten. Um dieses vorrangige Ziel zu erreichen, stehen der EZB und den nationalen Zentralbanken des Eurosystems eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, die in der Satzung der EZB und des ESZB (im Folgenden „Satzung“) aufgeführt sind. Kreditgeschäfte mit Kreditinstituten und anderen Marktteilnehmern sind eines dieser Kerninstrumente, wie in Artikel 18 der Satzung festgelegt. Die Notenbankfähigkeit von Vermögenswerten als Sicherheiten für solche Kreditgeschäfte richtet sich daher in erster Linie nach Überlegungen hinsichtlich des geldpolitischen Ziels und eines angemessenen Risikomanagements – der Abschirmung des Eurosystems gegen potenzielle Verluste. Das Eurosystem stellt sicher, dass Sicherheiten dem geldpolitischen Ziel dienen und dass das Eurosystem angemessen gegen Risiken geschützt ist, und behält sich das Recht vor, die Mobilisierung bestimmter Sicherheiten zu begrenzen oder abzulehnen. Gemäß Artikel 19 der Satzung und innerhalb der vom Rat nach diesem Artikel festgelegten Grenzen kann das Eurosystem zur Verfolgung der geldpolitischen Ziele von den Kreditinstituten verlangen, Mindestreserven zu unterhalten. Mindestreserven sind nicht besichert, da sie eine Einlage darstellen, die von Kreditinstituten, die den Mindestreservevorschriften des Eurosystems unterliegen, bei ihren jeweiligen nationalen Zentralbanken des Eurosystems getätigt werden. Kein Kontrahent ist aufgrund der Mindestreservepflicht verpflichtet, Sicherheiten zu halten.

Gleichwohl ist die EZB, wie bereits in einer kürzlichen Antwort auf eine schriftliche Anfrage des Abgeordneten Daty erwähnt, ein Adressat der Charta der Grundrechte innerhalb der Grenzen von Artikel 51 dieser Charta. Die EZB achtet die Rechte, beachtet die Grundsätze und fördert die Anwendung der Charta im Einklang mit ihren Befugnissen und unter Beachtung der Grenzen der Zuständigkeiten der Union, die ihr in den Verträgen (Vertrag über die Europäische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) übertragen wurden. Gleichzeitig implizieren das präzise und begrenzte Mandat und die Befugnisse, die der EZB durch die Verträge übertragen wurden, sowie die Grenzen der Zuständigkeiten der Union, die ihr durch die Verträge übertragen wurden, dass die EZB zwar Adressat der Charta ist, aber nicht automatisch verpflichtet ist, die Charta gegenüber den Emittenten von Wertpapieren, die sie für ihre geldpolitischen Operationen für geeignet hält, durchzusetzen. Die folgenden Erwägungen tragen zur Untermauerung dieser Ansicht bei, auch wenn man anerkennt, dass die Angelegenheit komplex sein kann.

  •  Erstens fallen private Kapitalgesellschaften wie die vom Petenten in seiner ursprünglichen Petition genannten Emittenten nicht direkt in den Anwendungsbereich der Charta, die besagt, dass sie sich an die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter gebührender Beachtung des Subsidiaritätsprinzips und an die Mitgliedstaaten nur dann richtet, wenn diese das Unionsrecht umsetzen. Diese Körperschaften unterliegen jedoch stattdessen bestimmten Regeln, die für ihr Verhalten innerhalb der jeweiligen Rechtsordnungen gelten, wozu auch Regeln gehören können, die in unmittelbar anwendbaren EU-Verordnungen oder anderen Rechtsakten festgelegt sind. Die EZB kann die Notenbankfähigkeit von Sicherheiten nicht von conditior’IS abhängig machen, was den Anwendungsbereich der Charta über die in Artikel 51 der Charta festgelegten Grenzen und ihre eigenen Befugnisse über das in den Verträgen festgelegte Mandat hinaus erweitern würde.
  • Zweitens fällt die maßgebliche Beurteilung angeblicher Verletzungen von Grundrechten nach der Charta oder anderer Vorschriften in EU-Rechtsakten, die mit dem Schutz dieser Grundrechte in Zusammenhang stehen können, in den Zuständigkeitsbereich der zuständigen Regulierungsbehörden und letztlich der zuständigen nationalen und EU-Gerichte und nicht in den der EZB oder privater selbst beglaubigter Institutionen. Die EZB kann sich nicht an die Stelle der zuständigen EU- oder nationalen Gerichte und Behörden setzen, indem sie EU-Unternehmen – auf welche die Charta nicht einmal direkt anwendbar ist – bei angeblichen Verstößen beurteilt und gegebenenfalls indirekt sanktioniert. Die EZB kann sich auch nicht einfach den Erkenntnissen privater, selbst beglaubigter Quellen, wie sie vom Petenten vorgeschlagen werden, unterwerfen. Daher kann die EZB die Zulässigkeit von Vermögenswerten bei ihren geldpolitischen Operationen nicht, wie vom Petenten vorgeschlagen, von der Meinung einer privaten Einrichtung über die Einhaltung der Charta durch die Emittenten abhängig machen.

Erwidernde Antwort der Weltethos-Forschungsgruppe als Offener Brief

Sehr geehrte Frau Montserrat,
Ehrenwerte Mitglieder des Europäischen Petitionsausschusses,

als Mitglieder der Weltethos-Forschungsgruppe für Finanzen und Wirtschaft richten wir diesen Brief an Sie und gleichzeitig an den breiteren Kreis der Verantwortlichen in den europäischen Institutionen, weil eine dringende Handlungsweise bezüglich des Geschäftsgebarens der Europäischen Zentralbank (EZB) offen diskutiert werden muss: Die EZB wirkt mit wesentlichen Teilen ihres Kerngeschäfts einer nachhaltigen Strategie für die Zukunft Europas entgegen.

Als Antwort auf die Petition unseres Forschungsgruppenmitglieds Prof. Dr. Harald Bolsinger an den EU-Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments („Bekenntnis der Europäischen Zentralbank zur EU-Grundrechtscharta“ vom 08.05.2017, Petition 0429/2017) hat die EZB ein Antwortschreiben zurückgeschickt, das am 05.08.2020 versandt wurde. In diesem Schreiben wird klargestellt, warum diese Frage bei der EZB immer noch nicht ausreichend behandelt wurde. Im September 2020 analysierten wir die schriftliche Antwort während eines wissenschaftlichen Kongresses mit einem Expertengremium der Weltethos-Forschungsgruppe für Finanzen und Wirtschaft und möchten Ihnen unsere Einschätzung mitteilen:

In der Antwort wird ausdrücklich anerkannt, dass die EZB verpflichtet ist, die EU-Charta der Grundrechte zu respektieren. Ferner wird erklärt, dass die EZB die Grundrechte respektiere, die Einhaltung der Grundsätze überprüfe und ihre Anwendung fördere: „Die EZB respektiert die Rechte, hält die Grundsätze ein und fördert die Anwendung der Charta“. Diese Aussage ist schlichtweg falsch, da die EZB selbst bestätigt, dass sie keine Bewertung der Einhaltung der Grundrechte bei marktfähigen Vermögenswerten oder anderen Wertpapieren durchführt, mit dem Argument, dass die Charta der Grundrechte nicht auf Transaktionen mit Privatunternehmen anwendbar sei. „Obwohl die EZB ein Adressat der Charta ist, ist sie nicht automatisch verpflichtet, die Charta gegenüber den Emittenten von Wertpapieren durchzusetzen, die sie für ihre geldpolitischen Operationen für geeignet hält.“ Die Zentralbank verschließt bewusst die Augen vor der in der Petition dargelegten Beweislage. Mit einer solchen Rechtfertigung wäre es jeder europäischen Institution erlaubt, in großem Umfang beispielsweise umweltzerstörende Produkte zu kaufen und weiterzuverkaufen, die von Sklaven hergestellt und von korrupten Steuerhinterziehern produziert wurden, solange es innerhalb der Institution selbst keine direkten Verstöße gegen die Charta der Grundrechte gibt.

Erstaunlich ist, dass die EZB die Einhaltung der Grundrechte bei marktfähigen Gütern nicht überprüft oder voraussetzt, obwohl dies auf einfache Weise rechtlich möglich wäre: „Die Notenbankfähigkeit von Vermögenswerten als Sicherheiten […] wird also in erster Linie von Überlegungen zum geldpolitischen Ziel und zu einem angemessenen Risikomanagement geleitet“. „Das Eurosystem […] behält sich das Recht vor, die Mobilisierung bestimmter Sicherheiten einzuschränken oder abzulehnen“. Die EZB versäumt es daher wissentlich, ihre grundlegende Sorgfaltspflicht zu erfüllen, und hat dies bestätigt. Darüber hinaus behauptet sie, dass sie dieser grundlegenden Due Diligence-Prüfung überhaupt nicht unterworfen sei. Aus unserer Sicht ist dies ein Skandal und der Europäischen Union unwürdig. Da die EZB die Prüfung auf Einhaltung der Grundrechte nicht selbst durchführt, wird in der Antwort vorsichtshalber behauptet, sie könne sich auch nicht auf externe Nachhaltigkeitsratings etablierter Rating-Agenturen beziehen. „Die EZB kann die Notenbankfähigkeit von Vermögenswerten […] nicht auf die Meinung eines privaten Unternehmens hinsichtlich der Einhaltung der Charta durch die Emittenten gründen“. Dies steht im Widerspruch zu der Tatsache, dass die EZB Ratings und Dienstleistungen von Standard & Poor’s, Moody’s, BlackRock usw. selbst einholt oder in ihren Risikobewertungen berücksichtigt – insbesondere bei der Bewertung marktfähiger Vermögenswerte oder sogar von Geschäftsbanken. Darüber hinaus legt diese Aussage nahe, dass die Nachhaltigkeitsratings weltweit anerkannter Rating-Agenturen aus Sicht der EZB nicht verlässlich seien, was in völligem Widerspruch zur EU-Praxis in Bezug auf die neue EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten steht, wie sie von der Europäischen Kommission vorgestellt wurde.

Aus unserer Sicht widerspricht die Antwort des Generaldirektors für Internationale & Europäische Beziehungen der EZB den öffentlichen Äußerungen von Präsidentin Lagarde, dass Nachhaltigkeitsfragen – insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel – künftig in der geldpolitischen Praxis Berücksichtigung finden werden. Dies ist der wichtigste Punkt, da ein langfristig erfolgreiches Handeln der Zentralbank auf einer konsistenten, einheitlichen Kommunikation beruht, um Glaubwürdigkeit zu gewährleisten. Da die Antwort an den EU-Petitionsausschuss nicht direkt vom Präsidenten, sondern nur vom Generaldirektor Internationale & Europäische Beziehungen unterzeichnet wurde, empfehlen wir, sich direkt an Frau Lagarde mit der Bitte um eine persönliche Antwort und Stellungnahme zu wenden, zumal sie in der Anfrage des Petitionsausschusses direkt und persönlich angesprochen wurde.

Darüber hinaus widerspricht die Antwort, die wir erhalten haben, auch den öffentlichen Äußerungen anderer EZB-Führungskräfte, wie z.B. denen von Isabel Schnabel (Mitglied des Direktoriums der EZB). In ihrer Rede auf dem Europäischen Gipfel für nachhaltige Finanzwirtschaft Ende September 2020 nahm Frau Schnabel die von unserem Forschungsgruppenmitglied aus der Petition 2017 vorgeschlagene Lösung als einen Weg für die EZB, dem Klimawandel entgegenzuwirken, wörtlich an und sagte „Wir könnten erwägen, die Zulässigkeit von Wertpapieren als Sicherheiten bei unseren Refinanzierungsgeschäften an die Offenlegungsvorschriften der emittierenden Unternehmen zu knüpfen. Dann würde das Eurosystem Sicherheiten nur dann akzeptieren, wenn es in der Lage ist, klimabedingte Risiken vollständig zu bewerten“.

Diese Ungereimtheiten zwischen den öffentlichen Ankündigungen der EZB-Führer und der Reaktion des Generaldirektors für internationale und europäische Beziehungen zu einem so wichtigen Thema legen einen Konflikt innerhalb der EZB in Bezug auf mögliche Änderungen der Politik zur Minderung von Klimarisiken und damit auch in Bezug auf die Risiken der Einhaltung von Grundrechten nahe. Wir halten es daher für unerlässlich, eine sofortige und breite öffentliche politische Diskussion über dieses Thema zu führen, insbesondere jetzt.
Wir empfehlen, dass sich der Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments dafür einsetzt, dass die EZB zum ersten Mal in ihrer Geschichte verpflichtet wird, dem Parlament Transparenz hinsichtlich der Einhaltung der Grundrechte bei allen gehandelten Wertpapieren und Vermögenswerten – insbesondere bei den als marktfähige Sicherheiten anerkannten Wertpapieren im Wert von 15 Billionen US-Dollar – zu gewährleisten und dann in einem zweiten Schritt auf die Aufforderung zu reagieren, die die EZB unter der Leitung von Präsident Mario Draghi in ihrer Antwort vom 22. Juni 2018 an den Petitionsausschuss ausgesprochen hat, in der sie selbst erklärt: „Es ist Sache der politischen Behörden, geeignete Maßnahmen zur Behandlung solcher Fragen zu definieren, zu vereinbaren und zu fördern. In diesem Sinne begrüßt die EZB den Aktionsplan der Europäischen Kommission zur Finanzierung eines nachhaltigen Wachstums“.
Wie die Antworten der EZB bisher eindrucksvoll gezeigt haben, kann die EZB nur mit Hilfe gezielter Zusagen des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission davon überzeugt werden, die Charta der Grundrechte in ihrer Arbeit endlich umzusetzen, wie dies alle anderen europäischen Institutionen schon seit langem tun. Dies widerspricht nicht dem Mandat der EZB, im Gegenteil, es ist die einzige Möglichkeit, dieses Mandat ordnungsgemäß zu erfüllen.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Harald Bolsinger (Weltethos Forschungsgruppe, Mitglied des Vorstands)

EZB im Green Deal – zur Nachhaltigkeit verpflichtet!

Lagarde kann sofort beginnen, während andere Akteure zunächst Gesetze benötigen
Plädoyer von Prof. Harald Bolsinger, Würzburg

Zahllose offene Briefe, Stellungnahmen von Verbänden und Demonstrationen aufgebrachter Bürger*innen forderten und fordern immer noch von der EZB, bei ihrer Finanzmarktpolitik ganzheitliche Nachhaltigkeit walten zu lassen. Mario Draghi hat das während seiner gesamten Amtszeit aktiv ignoriert. Eine geeinte Bewegung, die sich politisch auch jenseits von öffentlichen Wunschbekundungen, Demos und Parteigezänk einbringt, fehlt uns aber immer noch. Doch sie ist dringend nötig, um das umzusetzen, was Europa dringend braucht – und was bereits gilt!

Das Thema ist extrem einfach: Die EZB muss heute schon gesellschaftspolitische Faktoren in ihrer Portfoliopolitik und ihrem gesamten Kerngeschäft zwingend berücksichtigen. Auch die ewige gleiche Argumentation – angefangen von Herrn Weidmann über unzählige finanztechnokratisch geprägte Akademiker*innen mit Professorenhut bis hin zu Politiker*innen ohne Grundwissen über ihre eigene EU-Ordnungspolitik – ändern daran nichts! Das Märchen von der scheinbar verwirklichbaren geldpolitischen Neutralität wird dadurch auch nicht wahrer.

Die EZB hat als EU-Institution eine weltweit einzigartige Stellung unter den Zentralbanken inne. Die Verträge von Lissabon machen die EU-Charta der Grundrechte zu direkt anwendbarem Primärrecht in allen europäischen Institutionen. Also auch für die EZB! Alle Tätigkeiten der EZB als europäischer Institution müssen daher den kodifizierten Werten der Charta der Grundrechte entsprechen – daran ändert auch die viel beschworene Unabhängigkeitsdefinition im Vertrag über die Funktionsweise der Europäischen Union nichts. Dies ist der nüchterne ordnungspolitische Rahmen, der bereits gilt! Und das ist ein Segen!

Wir brauchen nicht mehr darüber zu streiten, welche Aspekte der Nachhaltigkeit mit welcher Taxonomie zu berücksichtigen sind – wir haben bereits eine gültige Definition in der Grundrechtscharta! Es fehlt nur noch die Umsetzung in Form simpler Negativkriterien für Wertpapierportfolios, die jede Geschäftsbank bereits seit Jahrzehnten ausweist, die Nachhaltigkeit auch nur ansatzweise auf dem Schirm hat. In einer Tagung Ende Oktober an der Goethe-Uni wurde das ausführlich dargestellt. Am 11.11.2019 wurde im parlamentarischen EU-Petitionsausschuss dazu die Petition 0429/2017 behandelt, mit dem Beschluss, dass mit der neuen EZB-Präsidentin dieser Sachverhalt alsbald diskutiert werden soll.

Eine Aufhebung der Ethikblindheit der EZB kann Frau Lagarde demnach sofort durch negative Diskriminierung von unethischen Wertpapieren im Sinne der EU-Grundrechtscharta umsetzen.

Während für viele Schritte des Green Deal noch Regulierung erforderlich ist, kann und muss die EZB sofort beginnen. Damit wäre das Goldene Kalb eines vermeintlich zwingend ethikblinden Eurosystems ein für alle Mal vom Sockel gestoßen. Sollte die EZB dies nicht umsetzen und die Europäische Kommission die Untätigkeit dulden, besteht die Möglichkeit, den juristischen Weg im Rahmen einer Untätigkeitsklage und/oder Nichtigkeitsklage einzuschlagen. Doch ein derartiges Armutszeugnis wäre Europa unwürdig. Der politische Weg ist allemal besser – zum Beispiel durch Unterstützung der EU-Petition 0429/2017, die ab 1 Mio. Unterstützer*innen das Gewicht einer europäischen Bürgerinitiative bekommen würde.

Es wird sich ändern! Neue Köpfe mit ethischem Sachverstand sind jetzt an der Macht. Eine neue EZB-Präsidentin und eine neue EU-Kommissionspräsidentin, die gemeinsam unsere EU- Grundrechtscharta und die Lissaboner Verträge zu ihrem Antritt in die Kamera halten. Sicher haben sie diese auch gelesen! Jetzt brauchen sie diese nur noch umzusetzen – erinnern wir sie immer wieder daran…

 „Nachhaltiges Europa: Die EZB als Kardinalfehler?“

Am 29.10.2019 veranstaltete die Weltethos-Forschungsgruppe Wirtschaft und Finanzen (WEFG) an der Universität Tübingen in Kooperation mit der der Goethe-Universität Frankfurt und der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt eine Tagung unter dem Thema: „Nachhaltiges Europa: Die EZB als Kardinalfehler?“ In der Tagung beleuchteten Finanzmarktexperten erstmals eingehend die ethische Dimension der EZB als Organ der Europäischen Union. Was bisher nur Fachleuten bekannt war: Die EU-Kommission gestaltet die EZB in Form von Leitlinien ordnungspolitisch und ist dem Europäischen Parlament als Kontrollorgan rechenschaftspflichtig. Dadurch nimmt die die EZB eine international unvergleichbare Sonderrolle unter den Zentralbanken ein.

Die Experten diskutierten zusammen mit dem Publikum unter Moderation von Gerhard Hofmann und Benedikt Hoffmann im Eisenhower-Saal der Goethe-Universität Frankfurt die Bindung der EZB an die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Johannes Hoffmann, Bernd Villhauer,  Es wurde deutlich, dass geldpolitische Unabhängigkeit für die EZB kein Freibrief zur Missachtung von Grundrechten sein kann.

Prof. Dr. Johannes Hoffmann, Goethe-Universität und Gründer der inzwischen am WeltethosInstitut angesiedelten früheren Forschungsgruppe Ethisch Ökologisches Rating, zeigte eindrucksvoll die Entwicklung nachhaltiger Finanzmärkte in Europa auf. Im Beitrag von Dr. Bernd Villhauer, Geschäftsführer des Weltethos-Instituts an der Universität Tübingen, wurden sittliche Anforderungen an die EZB jenseits der Geldpolitik erläutert. Der Würzburger Wirtschaftsethiker Prof. Dr. Harald Bolsinger von der FHWS gab Einblicke in die Relevanz von Grundrechten im Kerngeschäft der EZB und berichtete von Erfahrungen mit einer einschlägigen EU-Petition 429/2017 (siehe: europarl.europa.eu/petitions/en/petition/content/0429).

Bolsinger: „Es ist überfällig, die EZB zur Berücksichtigung europäischer Werte in Ihrem Finanzierungsgebaren zu bewegen. Vor allem von der Europäischen Zentralbank müssen wir erwarten können, dass zumindest die Werte der europäische Grundrechtscharta in ihrem Kerngeschäft nicht verletzt werden.“ Auf dem Weg zu einem nachhaltigen europäischen Finanzsystem müsse die Achtung von Grundrechten im Geschäftsgebaren der EZB am Beginn aller Initiativen stehen: „Wenn sich die EZB als Vorbild im Rahmen der ohnehin für Sie verpflichtenden Grundrechtscharta bewegt, strahlt das auf alle Finanzmarktakteure ab. Tut sie es nicht, sind alle anderen politischen Initiativen für ein nachhaltigeres Finanzsystem Makulatur!“

Michael Schmidt, Chief Investment Officer (CIO) der Lloyd Fonds AG, bezeichnete dann anhand der Erfolge der EZB die Sicherung der Preisstabilität als höchstes Gut, wozu die Unabhängigkeit der EZB zwingend nötig sei. Die Sustainable Finance High Level Expert Group der EU-Kommission hätte keinerlei Empfehlung zum Zentralbankverhalten abgegeben, da die EZB eben unabhängig sei und deshalb Empfehlungen in diese Richtung nicht gefragt waren und auch nicht umsetzbar wären. Die Würzburger Rechtsanwälte Dr. jur. Christian Szidzek und Marian Szidzek (thales-datenschutz.de) widersprachen dem vehement und belegten die Pflicht der EZB, Grundrechte auch in ihrem Geschäftsgebaren als EU-Organ zu beachten. Sie zeigten Optionen für juristische Schritte auf, wie die EZB dazu bewegt werden kann, ihrer Pflicht nachzukommen. Patrick Weltin, Bankenanalyst bei imug rating, warf einen Blick auf die stark verbesserungswürdige Nachhaltigkeit der EZB im Kerngeschäft und Susanne Bergius vom Handelsblatt Business Briefing Nachhaltige Investments erläuterte positive Beispiele fortschrittlicher Zentralbanken in Europa auf dem Weg zu Implementierung von Nachhaltigkeit in ihrem Kerngeschäft. Nach einer angeregten Diskussion mit den Experten und dem Publikum schloss Prof. Dr. Johannes Hoffmann mit einem Appell, den gültigen ordnungspolitischen Rahmen der EZB hinsichtlich ihrer Grundrechtsverpflichtung zur Anwendung zu bringen.

Der langsame Tod einer Petition beim EU-Parlament

Der EU-Petitionsausschusses hat am 15.09.2023 eine Review der Petition zusammen mit vielen weiteren Petitionen (99!) auf seine Sitzungsagenda für den 21.09.2023 genommen, um über eine Schließung der Petitionen zu beraten. Prof. Bolsinger worde darüber seitens des Petitionsausschusses nicht informiert – er entdeckte den Termin zufällig. Nachdem bisher keinerlei politische Veränderung auf die Petition hin erfolgt ist, stieg die Spannung, wie der Petitionsausschuss seine Arbeit hierzu selbst beurteilen würde und ob er diese fundamentale Frage der Gerechtigkeit im europäischen Finanzsystem ohne die geringste Lösung als abgehakt betrachten wird.

Absicht der Antragssteller übergangen

„Im Verlauf der vergangenen sechs Jahre wurden durch diese Petition alle politisch Mitverantwortlichen mit dem Problem nachweislich konfrontiert. Der Umgang mit der Petition ist ein Gradmesser für die politische Ernsthaftigkeit, mit der europäische Finanzmärkte tatsächlich nachhaltig umgestaltet werden sollen. Ende September hat der Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments dann die Petition als erledigt betrachtet und geschlossen. Ein fatales Signal gegenüber allen europäischen Banken, die haarklein Rechenschaft zu ihrer Nachhaltigkeitsleistung ablegen sollen während die EZB solche Fragen ignoriert. Noch warten die Petenten auf Antworten von Charles Michel, Ursula von der Leyen, Roberta Metsola, Manfred Weber, Stéphane  Séjourné, Marco Zanni, Terry Reintke, Martin Schirdewan, Ryszard Legutko und Iratxe García Pérez. Ob sie jemals kommen werden….?“

 

Jahrelange, intensive Lobbykampagne: Verwässerung zentraler Kapitalregeln für Banken

Neue Finanzwende-Daten zeigen Einfluss der Finanzlobby auf Basel III

Ein-Euro-Stück, Rückseite – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

In wenigen Monaten will die Europäische Union die sogenannten Basel-III-Regeln einführen – allerdings in einer stark abgeschwächten Form. Diese Verwässerung zentraler Kapitalregeln für Banken ist das Ergebnis einer jahrelangen, intensiven Lobbykampagne. Dies zeigen am 16.02.2023 veröffentlichte neue Zahlen der Bürgerbewegung Finanzwende: 176mal haben Vertreter der Finanzbranche demnach allein seit dem Amtsantritt von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende 2019 bei ihrem Kabinett, EU-Kommissaren und Generaldirektoren der Kommission zu Basel III vorgesprochen. Akteure aus der Zivilgesellschaft hatten währenddessen ganze 2 solcher Treffen.

Mit einem fairen Wettbewerb der Argumente hat das nichts mehr zu tun“, sagt Michael Peters, Experte der Bürgerbewegung Finanzwende. „EU-Parlament und EU-Kommission dürfen sich von der Bankenlobby keine Gesetze diktieren lassen.“

13.10.2021: Tagung „Europäische Zentralbank und Klimawandel“

„Die Europäische Zentralbank und ihre Rolle in einem nachhaltigen Finanzsystem – Probleme und Chancen”

EU-Petition des FHWS-Professors Harald Bolsinger von 2017 führt zu weiterer Fachtagung über „Die Europäische Zentralbank und ihre Rolle in einem nachhaltigen Finanzsystem“

Die EZB – Foto © Gerhard Hofmann

Welche Rolle kann die Europäische Zentralbank bei der Bewältigung des Klimawandels einnehmen? Dieser Frage stellt sich am Mittwoch, 13. Oktober 2021, die Forschungsgruppe „Finanzen und Wirtschaft“ des Weltethos-Instituts in der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt/Main. Sie veranstaltet eine Fachtagung zur neuen Strategie der Europäischen Zentralbank. Im Fokus steht ihre Rolle in der ökologischen Transformation, den politischen und gesellschaftlichen Weichen, die ein Wirtschaften innerhalb der planetarischen Grenzen ermöglichen. Das Tagungsthema lautet „Die Europäische Zentralbank und ihre Rolle in einem nachhaltigen Finanzsystem – Probleme und Chancen”.

Die Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, habe betont, so Prof. Dr. Harald Bolsinger (Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Mitorganisator und Referent der Tagung), dass die Zentralbank eine Rolle bei der Bewältigung des Klimawandels einnehmen wolle. Was wird diese Rolle sein? Welche Instrumente hat die EZB, um bei Herausforderungen wie der Dekarbonisierung (der Abkehr vom Kohlenstoff im Energiesektor), der Biodiversität (der biologischen Vielfalt⁠, dem Schutz und der nachhaltigen Nutzung der Natur), der Energiewende, dem Ressourcenverbrauch und weiteren Nachhaltigkeitsfeldern einen Unterschied zu machen? Ist sie berechtigt oder verpflichtet, über das klassische Mandat der Bewahrung der Geldwertstabilität hinauszugehen?

Diese und weitere Fragen werden von Expert:innen diskutiert, die

aus Wissenschaft und Wirtschaft
aus der Zivilgesellschaft
der Finanzbranche und
den beteiligten Institutionen auf nationaler und europäischer Ebene kommen.

Auch die EZB ist eingeladen, ihre Strategie zu erläutern. Die Tagung, die an die EZB-Fachtagung der Forschungsgruppe 2020 anknüpft, beginnt am Mittwoch, 13. Oktober, um 10 Uhr und wird eröffnet vom Präsidenten der Goethe-Universität, Prof. Dr. Enrico Schleiff. Die Anmeldung für eine kostenlose Teilnahme zu der Präsenzveranstaltung erfolgt über anmeldung[at]weltethos-institut.org.

Zum Programm

09.00 Uhr Grußwort Prof. Dr. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität Frankfurt

09.15 Uhr Eröffnung der Tagung durch Dr. Bernd Villhauer

09.30 Uhr „Nachhaltige Finanzen: Was ist geschehen – was muss geschehen?“ – Prof. Dr. Johannes Hoffmann

09.45 Uhr Vortrag EZB/Bundesbank (angefragt)

10.15 Uhr Vortrag Europäische Kommission (N.N.)

10.30 Uhr „Die Glaubwürdigkeit der EZB auf dem Prüfstand“ – Vortrag Prof. Dr. Harald Bolsinger, FHWS, Jens Minnemann, Vision for Finance

11.15 Uhr „Hat die EZB eine wirksame Strategie für Nachhaltigkeit?“ – Diskussion – Dr. Dirk Ehnts, Prof. Dr. Ulrich Klüh, Vertreter EZB bzw. Bundesbank (angefragt) (Moderation Dr. Bernd Villhauer)

12.15 Uhr „The Global Perspective“ – Sandrine Dixcon Declève and “On the role of the ECB in the worldwide transformation” Dr. Mamphela Ramphele

14.15 Uhr „Neue Geldpolitik konkret. Was leistet die Modern Money Theory?“ – Vortrag Dr. Dirk Ehnts

15.00 Uhr „Die KfW-Gruppe und ihre Rolle in einem nachhaltigen Finanzsystem“ – Vortrag Dr. Fritzi Köhler-Geib

16.00 Uhr „Was bedeutet die EZB-Politik für BürgerInnen und Unternehmen?“ – Diskussion – Prof. Dr. Gerhard Minnameier, Dr. Fritzi Köhler-Geib, Horst Schneider, Adam Gehrke (Moderation Benedikt Hoffmann)

17.00 Uhr Abschlussdiskussion mit Einbezug des Publikums

17.45 Uhr Schlusswort Prof. Dr. Harald Bolsinger / Prof. Dr. Ulrich Klüh Weitere Informationen unter Die Europäische Zentralbank und ihre Rolle in einem nachhaltigen Finanzsystem


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Hochschule Würzburg-Schweinfurt
Fakultät Wirtschaftswissenschaften
Prof. Dr. Harald Bolsinger
Tiepolostr. 6
97070 Würzburg
harald.bolsinger[at]fhws.de
0931-3511-8944

Klimarisiken für Finanzwelt begrenzen

Zentralbanken und Wissenschaft veröffentlichen Szenarien

Noch nicht sonderlich grün: Frankfurter Bankenviertel über Hauptbahnhof – Foto © Gerhard Hofmann für EÖR-Blog

Mehr als 90 Zentralbanken haben sich einer Medienmitteilung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) vom 07.06.2021 zufolge mit der Wissenschaft zusammen getan, um das Management von Klimarisiken im Finanzsektor zu verbessern. Gemeinsam veröffentlichten Forscher und Finanzexperten des „Network for Greening the Financial System“ (NGFS) eine neue Reihe von Szenarien eines geordneten Übergangs, eines verzögerten Übergangs, und eines Versagens der Klimapolitik.

weiterlesen

EU-Taxonomie: Schritte in Richtung Green Deal

Kommission will Geld in nachhaltige Tätigkeiten lenken

Die EU-Kommission hat am 21.04.2021 ein Maßnahmenpaket für nachhaltige Finanzierung vorgelegt, das durch einen delegierten Rechtsakt im Rahmen der EU-Taxonomie dazu beitragen soll, in der Europäischen Union mehr Geld in nachhaltige Tätigkeiten zu lenken: Anleger sollen in die Lage versetzt werden, ihre Investitionen verlässlich und ohne „Greenwashing“ auf nachhaltigere Technologien und Unternehmen umzustellen. Auf globaler Ebene will die EU bei der Festlegung von Standards für ein nachhaltiges Finanzwesen eine Führungsrolle übernehmen. Die umstrittene Frage, wie in diesem Rahmen Investitionen in Erdgasprojekte eingestuft werden, wurde kurzfristig auf einen separaten Gesetzgebungsvorschlag Ende des Jahres verschoben. VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing warnt denn auch vor einer Gefährdung der Versorgungssicherheit durch eine „jahrelange Hängepartie in einem europäischen Gesetzgebungsverfahren“.

Nachhaltiges Geld – Foto © Gerhard Hofmann

„Die neuen Bestimmungen werden eine grundlegende Wende im Finanzwesen herbeiführen“, sagte Kommissarin Mairead McGuinness. „Wir setzen ehrgeizigere Maßstäbe im Bereich des nachhaltigen Finanzwesens, damit Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent wird. Die Zeit ist gekommen, auf Worte Taten folgen zu lassen und nachhaltig zu investieren.“ Das heute angenommene Paket umfasst:

  • Die delegierte Verordnung zur EU-Klimataxonomie, die darauf abzielt, Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu fördern. Zu diesem Zweck wird klargestellt, welche Wirtschaftstätigkeiten am meisten zur Erreichung der EU-Umweltziele beitragen. Das Kollegium der Kommissionsmitglieder hat heute eine politische Einigung über den Text erzielt. Der delegierte Rechtsakt wird Ende Mai formal angenommen, wenn die Übersetzungen in alle EU-Sprachen vorliegen. In einer Mitteilung, die ebenfalls heute vom Kollegium angenommen wurde, wird der Ansatz der Kommission detaillierter dargelegt.

weiterlesen

Früherkennung von Finanzblasen

Mathematische Metriken helfen, Instabilitäten von Märkten offenzulegen

Finanzmärkte werden künftig leichter berechenbar: Ein internationales, interdisziplinäres Forscherteam hat mathematische Metriken identifiziert, um die Fragilität von Finanzmärkten zu charakterisieren. Ihre Untersuchung beleuchtet die übergeordnete Architektur von Finanzsystemen und ermöglicht es Analysten, systemische Risiken wie Marktblasen oder drohende Börsencrashs zu erkennen. weiterlesen

Finanzierung nachhaltigen Wachstums: unklare Ziele und Kriterien

Bundesrechnungshof warnt vor Greenwashing: EU-Taxonomie systematisch und wirksam kontrollieren

Geld – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

„Um Anleger vor fehlerhaft als nachhaltig bezeichneten Finanzprodukten zu schützen, muss der Bund für eine wirksame Kontrolle sorgen. Es muss sichergestellt sein, dass die Finanzmarktakteure die Vorgaben der EU-Taxonomie für Nachhaltigkeit und Transparenz einhalten,“ sagte der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, anlässlich der Veröffentlichung eines Berichts über Maßnahmen der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Aktionsplan der EU-Kommission zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums.

Ernst & Young (EY): „Der Aktionsplan der EU-Kommission zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums soll die notwendigen Kapitalströme in nachhaltige Projekte lenken und die Transparenz in diesem Wachstumsmarkt erhöhen. Die von Gesetzgebern und Regulatoren geforderte Lenkung der Finanzströme stellt eine Chance für Banken dar: Sie können als Katalysatoren des Wandels fungieren und zusätzliches Ertragspotenzial generieren.“

weiterlesen

Sicherheitenrahmen der Europäischen Zentralbank klimaschädlich

EZB immer noch zurückhaltend bis ignorant bei Klimaschutz-Kriterien

Die Europäische Zentralbank akzeptiert Anleihen von fossilen Energieunternehmen und stuft klimafreundlichere Sektoren als riskanter ein – immer noch. Sie akzeptiert von Kreditinstituten übermäßig viele eigentlich klimaschädliche Sicherheiten, so die am 10.03.2021 veröffentlichte Studie “Greening the Eurosystem Collateral Framework” von Greenpeace, der New Economics Foundation (NEF), der SOAS University of London, der University of the West of England und der University of Greenwich. Während Frankreichs Notenbank für Klimakriterien plädiert, bleibt die Bundesbank verhalten. Unabhängig von der Geldpolitik soll es in der Eurozone eine Klimaberichterstattung der Zentralbanken geben.

Greenpeace-Protest vor EZB am 10.03.2021 © Bernd Hartung, Greenpeace

Bannerflug für Grüne Geldpolitik in Frankfurt am Main -„Act on climate now“ fordert ein Greenpeace-Aktivist mit einem Flugbanner vor der Europäischen Zentralbank (EZB). In der EZB findet am 11.03.2021 unter Leitung von Christine Lagarde die Ratssitzung mit Mitgliedern des Direktoriums sowie den Präsidenten der europäischen Notenbanken statt. Die Aktivisten warnen davor, dass die Klimakrise auch die Preisstabilität gefährdet. Sie fordern von der EZB, ihre Geldpolitik endlich am Klimaschutz auszurichten. “Die EZB hält uns hin. Sie sollte zügig eine Strategie für den geldpolitischen Umgang mit der Klimakrise vorlegen, aber die Verantwortlichen bleiben vage“, sagt Mauricio Vargas, Finanzexperte von Greenpeace. „Sie lassen zu, dass ihre Geldpolitik weiterhin klimaschädliche Unternehmen begünstigt.“

Studie offenbart Klimaschädlichkeit des EZB-Sicherheitenrahmen und zeigt drei Lösungswege

Die neue Studie “Greening the Eurosystem Collateral Framework” analysiert das Rahmenwerk zu den akzeptierten Kreditsicherheiten der Europäischen Zentralbank. Es handelt sich um eine gemeinsame Publikation von Greenpeace, der New Economics Foundation (NEF), der SOAS University of London, der University of the West of England und der University of Greenwich.

Besonders kritisch bewertet Greenpeace, dass Anleihen von klimaschädlichen Emittenten von niedrigeren Abschlägen profitieren, während die EZB klimafreundlichere Sektoren als riskanter einstuft und mit höheren Abschlägen versieht. Zudem akzeptiert die EZB überproportional viele Anleihen von fossilen Energieunternehmen. Die Studie lieferte zwei wichtige Erkenntnisse zur systematischen Bevorzugung von klimaschädlichen Unternehmen: Erstens die überproportionale Gewichtung der Anleihen klimaschädlicher Unternehmen und zweitens eine Risikobewertung, die klimaschädliche Geschäftsmodelle begünstigt. Beide Aspekte unterminieren den Umbau zu einem grünen Finanzsystem und müssen schleunigst geändert werden.

Die Studie schlägt drei Wege vor, um den kohlenstoffintensiven Anteil und damit die mit der Klimakrise verbundenen Risiken des Sicherheitenrahmens zu reduzieren. Während im ersten Szenario nur die Risikoabschläge entsprechend der Klimaschädlichkeit erhöht werden, schließen die beiden schärferen Szenarien auch besonders klimaschädliche Unternehmen aus.

Die präsentierten Szenarien zeigen verschiedene Wege auf, wie die klimaschädlichen Unwuchten des aktuellen Sicherheitenrahmens reduziert werden können. Während im ersten Szenario die Klimaschädlichkeit nur moderat gemindert wird und die Hoffnung auf den Unternehmen ruht, ihre Klimaschädlichkeit perspektivisch abzubauen, fällt die Reduktion des CO2-Fußabdrucks in den beiden Folgeszenarien, die klimaschädliche Unternehmen ausschließen, deutlich stärker aus. In den drei Szenarien bleibt der Zugang der Banken zu Zentralbankgeld volumenmäßig erhalten. Allerdings verändern sie die Arten von Anleihen, die Banken halten müssen, um Zugang zu Zentralbankgeld zu erhalten, erheblich. Dies schafft Anreize für Banken (und den gesamten Finanzsektor), in umweltfreundlichere statt in „schmutzigere“ Unternehmensanleihen zu investieren, was wiederum Anreize für Nicht-Finanzunternehmen schafft, ihre Praktiken an die Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens anzupassen. Ohne eine Reform drohen die derzeitigen Regeln für den Sicherheitenrahmen die bestehenden Schwächen des Finanzsektors in weiten Teilen zu verfestigen und zu verschärfen. Die Zeit zu handeln, ist jetzt. Gerade in der gegenwärtigen Lage mit Pandemie und daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen gibt es keinen besseren Zeitpunkt, als jetzt die Weichen für ein zukunftsfähiges ökologisch-soziales Wirtschafts- und Finanzsystem zu stellen, um für künftige Krisen besser gewappnet zu sein. Immerhin – die EZB hat unter Leitung von Christine Lagarde bereits vergangenes Jahr eine Überprüfung ihrer aktuellen Geldpolitik und speziell der Rolle von Klimarisiken angekündigt. Die Offenlegung der neuen geldpolitischen Strategie war ursprünglich für Frühjahr 2020 angesagt, wurde jedoch verschoben und steht daher noch aus.

Die EZB-Geldpolitik gilt mit ihrer Steuerungs- und Investitionsmacht als Rahmengeber für den Euroraum. Insbesondere ihr Umgang mit Klimarisiken ist signalgebend für die europäische Finanzwelt. Obwohl EZB-Chefin Lagarde bereits im vergangenen Jahr auf den Zusammenhang von Klimarisiken und Preisstabilität aufmerksam machte, steht eine Reform der Geldpolitik immer noch aus. Die für Frühjahr 2021 angekündigte neue geldpolitische Strategie wurde verschoben. Die Ratsmitglieder widersprechen einnander derweil öffentlich, was die Rolle der Notenbanken beim Klimaschutz anbelangt. “Die Klimakrise als historische Herausforderung benennen und gleichzeitig Klimasünder begünstigen – das zeugt von Doppelmoral”, sagt Vargas.

->Quellen:

EuGH verurteilt EIB wg. verweigerter Umweltprüfung

Europäische Investitionsbank unterliegt in bahnbrechendem Fall zu „grüner“ Überprüfung

In einem bahnbrechenden Urteil hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) die Umweltprüfung ihrer Finanzierungsentscheidungen rechtswidrig umgangen hat, so Kira Taylor am 27.01.2021 auf Euractiv. Das Urteil des EuGH vom 27.01.2021 folge auf eine Klage von ClientEarth gegen die EU-Bank, nachdem diese den Antrag der NGO auf eine interne Überprüfung eines 60-Millionen-Euro-Kredits abgelehnt habe.

Die Anwälte sagten, dass die Gewährung des Darlehens für den Bau eines Biomasse-Kraftwerks der rumänischen Firma Losán in Spanien (Curtis, Galizien) gegen die Finanzierungskriterien der EIB für verantwortungsvolle Investitionen in erneuerbare Energien verstoßen, und es Fehler bei der Beurteilung der Eignung des Projekts für eine Finanzierung gegeben habe. Die EIB behauptete, der Antrag sei unzulässig gewesen und lehnte die Forderung von ClientEarth ab – ein Recht, das nach internationalem und EU-Recht durch die Aarhus-Konvention garantiert wird. weiterlesen

Europas Banken haben in Sachen Nachhaltigkeit noch einen weiten Weg vor sich

Blackrock-Untersuchung: „Sektor bleibt hinter den Erwartungen von Regulierungsbehörden und Stakeholdern zurück“.

„Nachhaltigkeit hat sich etabliert“, schreibt der Finanzgigant Blackrock auf seiner Internetseite: BlackRock habe „weltweit Kunden befragt, die ein verwaltetes Vermögen von 25 Bio. USD repräsentieren. Wir wollten ihre Gründe für Umschichtungen in nachhaltige Anlagen verstehen und wie sich die Pandemie darauf auswirken könnte. Die Ergebnisse sind eindeutig: Die grundlegende Kapitalverschiebung zugunsten nachhaltiger Anlageprodukte nimmt Fahrt auf.“ weiterlesen