Update TTIP, CETAQ, JEFTA und EPAs

Kurzbriefing über Freihandelsabkommen der EU
– von Martin Häusling, MdEP –

Aktueller Stand TTIP

Zurzeit liegt TTIP auf Eis, da der amerikanische Präsident Trump dieses bisher ablehnt (TPP, das Freihandelsabkommen mit den Pazifikstaaten, kündigte er schon auf). Trotz Handelsstreitigkeiten zwischen Deutschland und den USA haben allerdings sowohl die deutsche Kanzlerin Merkel als auch der US-Handelsminister Ross im Juni bekräftigt, TTIP wieder aufleben lassen zu wollen.

State of EU-Trade - Grafik © martin-haeusling.eu

Europäische Bürgerinitiative (EBI) „STOP TTIP und CETA“

Das Gericht der Europäischen Union erklärte den Beschluss der Kommission von 2014, mit dem die Registrierung der geplanten Europäischen Bürgerinitiative „Stop TTIP“ abgelehnt wurde, am 10.5.2017 für nichtig: „Die geplante Bürgerinitiative stellt keine unzulässige Einmischung in den Gang des Gesetzgebungsverfahrens dar, sondern löst zur rechten Zeit eine legitime demokratische Debatte aus.“ Die Initiatoren der EBI hatten beabsichtigt, dass die EU-Kommission dem Rat empfehle, das ihr erteilte Verhandlungsmandat für das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA aufzuheben, und CETA, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, nicht abzuschließen. Die inoffizielle, “selbst-organisierte” EBI sammelte 3.284.289 Unterschriften und erreichte das Quorum in 23 Mitgliedstaaten – fast die doppelte Zahl an Unterschriften der bisher erfolgreichsten EBI. Diese Bedenken der europäischen Bürger muss die Kommission ernst nehmen.

Aktueller Stand CETA

Europaparlament stimmt für Relikt aus der Vergangenheit – Abkommen öffnet TTIP die Hintertür
Am 15. Februar 2017 wurde das CETA Abkommen im Plenum mit 408 (Ja) : 254 (Nein) : 33( Enthaltungen) Stimmen angenommen. In der Verhandlungen des Parlaments hatten Konservative und Sozialisten versucht, CETA so schnell wie möglich und mit möglichst wenig kontroversen Debatten durch den Abstimmungsprozess zu peitschen. Die Grünen/EFA-Fraktion hatte sich dafür eingesetzt, dass das Europäische Parlament nicht nur Ja oder Nein zum Abkommen sagt, sondern ausführlich unter Beteiligung aller betroffenen Ausschüsse in einer Resolution dazu Stellung nimmt – ähnlich wie bei ACTA (Anti-Counterfeiting-Trade-Agreement). Dieser Vorschlag wurde von der Mehrheit der Fraktionen im federführenden Handelsausschuss aber abgelehnt.
Nur zwei Ausschüsse haben über CETA abgestimmt. Der Ausschuss für Beschäftigung lehnte CETA ab. Dass die Mehrheit des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz CETA zustimmte, war eine herbe Enttäuschung für mich und ein Armutszeugnis für Europa. Die die EU-Ebene betreffenden Teile des Abkommens treten damit erst einmal in Kraft, allerdings nicht die sogenannten Schiedsgerichte. Weil CETA ein gemischtes Abkommen ist, das sowohl die Zuständigkeit der EU als auch die der Mitgliedstaaten berührt, müssen nach dem EU-Parlament auch alle nationalen Parlamente CETA ratifizieren – in Deutschland also Bundestag und Bundesrat.
Im Bundestag gilt die Mehrheit für CETA in der aktuellen Konstellation als sicher, anders als im Bundesrat. Offen bleibt, ob das Veto eines nationalen Parlaments CETA komplett oder nur in Teilen stoppen würde. Diesen Fall gab es bisher noch nicht. Nach der Ablehnung eines Mitgliedstaates folgt also wahrscheinlich erstmal ein komplizierter politischer und juristischer Streit.

JEFTA

Die Freihandelsagenda der EU geht allerdings weiter. „Unsere Handelsagenda umfasst 20 Staaten, darunter Mexiko, Japan, Australien, Argentinien, Brasilien. Mit China, einem schwierigen Partner, verhandeln wir ein Investitions-abkommen.“, erklärte Handelskommissarin Cecilia Malmström im Februar 2017. Die EU will noch in diesem Jahr ein Freihandelsabkommen mit Japan abschließen (JEFTA). „Noch vor kurzer Zeit sorgte sich Europa, im internationalen Handel von Asien und den USA abgehängt zu werden. Beide schienen begieriger, durch neue Abkommen wie TPP gemeinsam Geschäfte anzustoßen, ohne boring old Europe. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hat alles verändert.“, kommentierte dazu die Süddeutsche Zeitung am 25.06.2017.

Im Juni leakte Greenpeace Niederlande den Verhandlungstext. Wie bei CETA wird im Kapitel „Sanitäre und phythosanitäre Maßnahmen (SPS)“ (ein Kapitel in dem der Verbraucherschutz eine besondere Rolle spielt, weil es u.a. um die Gesundheit von Mensch und Tier geht) nicht das Vorsorgeprinzip zur Basis der Verhandlungen erklärt, sondern das WTO-SPS-Abkommen. Das WTO-SPS Abkommen definiert, wie Standards gesetzt werden dürfen, um nicht als Handelsbarriere eingestuft zu werden. Das in der EU etablierte „precautionary principal“, also das Vorsorgeprinzip, auf dem der Verbraucherschutz in der EU basiert, wird durch das WTO-Recht aber nicht anerkannt. Es ist seit Jahren ein Streitpunkt zwischen der EU und WTO und wird auch innerhalb Europas von der Chemie-Lobby hartnäckig bekämpft. Anstatt es in den Verhandlungstexten erst gar nicht zu erwähnen, müsste es von der Kommission in jede Richtung vehement verteidigt werden.

Investoren können – laut geleaktem Text – bei JEFTA ihre Rechte vor undemokratischen Schiedsgerichten einklagen, die sogar hinter den schwachen CETA-Standards zurückbleiben. Ebenfalls schwach ist der Vertrag beim Schutz der Wale und der Bekämpfung illegaler Abholzungen. Japan muss als größter Abnehmer illegalen Holzes keine ernsthaften Verpflichtungen eingehen, anders als es sogar im mit den USA und weiteren Staaten ausverhandelten TPP-Abkommen der Fall war.

Demgegenüber hatte Vize Kommissionspräsident Timmermanns noch im Mai 2017 angekündigt in Zukunft Handelsabkommen fair, transparent und nachhaltig mit einem fairen Streit-Schlichtungsmechanismus zu verhandeln. Die Europäische Union und Japan versuchen, noch vor Beginn des G20-Gipfels in Hamburg ihr geplantes Freihandelsabkommen festzuklopfen. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und Landwirtschaftskommissar Phil Hogan trafen Ende Juni in Tokio Außenminister Fumio Kishida und Agrarminister Yuji Yamamoto, um über letzte Hindernisse zu beraten. Beide Seiten hatten im März 2013 mit den Gesprächen begonnen.

Freihandelsabkommen mit MERCOSUR

(MERCOSUR = südamerikanischer Staatenbund aus Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay und Venezuela, wobei Venezuela beim Freihandelsabkommen aktuell außerhalb steht)
Seit 16 Jahren versuchen Mercosur und EU, ein Freihandelsabkommen abzuschließen, dieses Jahr soll es nun endlich abgeschlossen werden. Der Mercosur exportiert hauptsächlich Agrarprodukte und Rohstoffe, während die EU vor allem Maschinen und Chemikalien nach Südamerika liefert. Einer der größten Stolpersteine bei den Verhandlungen war von Beginn an die Landwirtschaft. Die starken Agrarproduzenten des Mercosur drängen auf die EU-Märkte und stören sich an den hohen Subventionen für Europas Bauern, während diese eine Erhöhung der Importe von Landwirtschaftsgütern aus Südamerika zu Recht als existenzielle Bedrohung sehen. Eine Studie des Joint Research Centres von 2011, im Auftrag der EU Kommission ergab zum Teil sehr negative zu erwartende Auswirkungen auf den europäischen Rindfleischsektor. Unter dem Druck Frankreichs und zwölf weiterer EU-Länder, darunter Irland und Polen, wurden umstrittene Agrarprodukte wie Rindfleisch und Ethanol in das Marktzugangs-Angebot der EU vom Mai 2016 nicht aufgenommen. Wir Grüne sehen allerdings auch, dass das in Südamerika weitverbreitete Modell des intensiven Sojaanbaus als Schmiermittel für die europäische Fleischüberproduktion durch so ein Handelsabkommen gestärkt würde. Das ist weder im Sinne des Klimas noch im Sinne der Gesundheit der Menschen in Südamerika oder der Tierhaltung in Europa. Es würde die Abhängigkeit Europas von Gentec-Eiweiß aus Übersee nur verstärken.

Handel mit dem globalen Süden – EPAs

EPA = Economic Partnership Agreement, WirtschaftsPartnerschaftsAbkommen.
Als die afrikanischen Kolonien nach dem Zweiten Weltkrieg unabhängig wurden, gewährten ihnen die ehemaligen Kolonialstaaten Europas einen Handels-Schutzstatus: Während europäische Händler Zölle zahlen mussten, wenn sie ihre Waren nach Afrika exportierten, durften die Afrikaner ihre Güter zollfrei nach Europa ausführen. Die Afrikaner sollten die Chance bekommen, wirtschaftlich aufzuholen. Die Welthandelsorganisation (WTO) fordert seit längerem, dass diese einseitigen Vorteile schrittweise aufgehoben werden.
Die EPAs – Bilaterale Freihandelsabkommen zwischen der EU und afrikanischen Ländern – brechen zunehmend den Widerstand, den die Entwicklungsländer gegen den Abbau von Schutzmechanismen im Agrarbereich im Zusammenschluss mit andern Entwicklungsländern in den WTO-Verhandlungen halbwegs aufrechterhalten konnten. Ein Großteil der Bevölkerung in diesen Ländern lebt von der Landwirtschaft. Schon jetzt entledigt sich die EU in vielen Entwicklungsländern ihrer landwirtschaftlichen Überproduktion und zerstört damit die lokalen Märkte. Diese Art von EPAs sind das Gegenteil von Entwicklungszusammenarbeit und müssen geändert oder abgeschafft werden.

->Quellen: